Starnberg:Improvisierte Baumpflege

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Rettet, was noch zu retten ist: Anton Wiesböck fuhr am Samstag einen Anhänger mit Mulch in das Waldstück, um den Baumbestand zu retten. (Foto: Nila Thiel)

Weil die Stadt Maßnahmen Am Hochwald versäumt hat, rückt Stadtrat Anton Wiesböck spontan mit einer Ladung Mulch an

Von Peter Haacke, Starnberg

Größte Aufregung und nachhaltigen Protest unter den Anwohnern hatte im Frühjahr 2016 ein unsachgemäß angelegter Weg durch ein Waldstück ausgelöst: Die Stadtverwaltung ließ "Am Hochwald" auf einer Länge von knapp 380 Metern eine Schneise durch den Wald fräsen und eine neue Verbindung durch den bis dahin nahezu unberührten Wald betonieren. Wie hoch die Folgeschäden durch diesen Eingriff für den verbleibenden Baumbestand sind, steht bislang nicht zweifelsfrei fest. Allerdings wurden seither acht Buchen gefällt, zwölf weitere sowie eine Fichte sollen folgen, teilte Bürgermeisterin Eva John vergangene Woche im Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität mit. Grund dafür könnte auch sein, dass der Betriebshof einen Beschluss des Stadtrates zur Pflege der übrigen Bäume nicht umgesetzt hat.

Das Entsetzen in der Nachbarschaft war seinerzeit groß, als an einem kalten Wintertag Arbeiter anrückten und im Wald aufräumten: Von der Ecke Am Hochwald/Hofbuchetstraße bis hin zur Hanfelder Straße kreischten die Motorsägen und schnitten entlang eines Trampelpfades eine bis zu drei Meter breite Trasse frei. Danach schachtete ein Bagger die von Feinwurzelwerk durchzogene Bodendeckschicht bis auf 30 Zentimeter Tiefe aus, eine aufgeschüttete Kiesschicht wurde mit Mineralbeton verfestigt. Aller Protest der Anwohner, die Unterschriften gesammelt und sogar die Bauarbeiten blockiert hatten, blieb nutzlos. Später stellten Gutachter fest, dass eventuelle Schäden am Baumbestand durch den Fußweg irreparabel sind. Das Wäldchen, in dem zuvor sogar Rehe gesichtet worden waren, erfreut seitdem Fußgänger und Hundebesitzer beim Gassigehen.

Das Thema landete jüngst erneut im Umweltausschuss. Überraschend räumte John ein, dass der Betriebshof die vom Stadtrat beschlossenen Pflegemaßnahmen unterlassen hat: Weder waren die Bäume in Hitzeperioden gewässert noch die Wurzelbereiche mit Laub verfüllt worden. Stadtrat Stefan Frey (CSU) zeigte Unverständnis darüber, dass die Empfehlungen der Gutachter nicht ungesetzt wurden. Er betonte, dass er bis heute nicht die Sinnhaftigkeit des Weges erkannt habe. "Die Bäume haben Schaden genommen", sagte er, "das hätte es wirklich nicht gebraucht".

Doch es gab auch Gegenstimmen: Klaus Rieskamp (BLS) etwa erfreut sich am Blick auf den Starnberger See, Franz Heidinger (BLS) forderte gar, einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen. Unterstützung für Frey kam indes von Landwirt Anton Wiesböck (FDP), der beruflich bedingt unter anderem mit der Baumpflege an der Eichenallee in Seefeld betraut ist: "Hier ist ein massiver Eingriff in die Natur passiert", stellte er fest - und bot pragmatisch Hilfe an: Er fuhr am Samstag per Traktor zum Hochwald und verfüllte Mulch, um zu retten, was noch zu retten ist. Den Arbeitseinsatz unterstützte tatkräftig die Bürgermeisterin sowie Stadtrat Josef Pfister.

2017 hatten zwei Gutachter etwas mehr als die Hälfte von insgesamt 48 untersuchten Bäumen entlang des betonierten Weges "in ihrer Vitalität als herabgesetzt beziehungsweise nachlassend" eingestuft. Einen Zusammenhang mit dem Bau des Waldweges soll es laut Darstellung der Stadtverwaltung jedoch nicht geben. Das sehen Anwohner wie der 90-jährige Ottmar Maier anders. Er sprach seinerzeit unverhohlen von einem "Skandal". Aus seiner Sicht habe die Stadtverwaltung hinsichtlich des Weges eine "Taktik der Verniedlichung, Verzögerung und Vertuschung" praktiziert. Unbeantwortet etwa sei bis heute die Frage, warum die in der Nähe des Hochwaldes wohnende Bürgermeisterin John den zunächst als "Rückeweg", später als Fußweg bezeichneten Pfad überhaupt anlegen ließ. Der Bebauungsplan sah einen Weg am oberen Waldrand an der Hangkante, nicht aber mitten durch den Wald vor. Das Landratsamt war nicht informiert, der Stadtrat wusste von nichts und der Bund Naturschutz war dagegen.

Die Stadt ist seither in der Verkehrssicherungspflicht, Folgekosten für die Stand- und Bruchsicherheit der Bäume sind unausweichlich. Bruchholz und gefällte Stämme sollen künftig im Wald liegen bleiben, beschloss das Gremium. Frey erneuerte seinen Antrag von 2016, die Bewässerung und Laubaufschüttung sicherzustellen. Neue Erkenntnisse zum Zustand des Waldes soll es auch geben: Das Monitoring - also die Begutachtung des Baumbestands - soll nach der ersten Bestandsaufnahme 2017 in der zweiten Jahreshälfte 2019 fortgesetzt werden.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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