"Meeting Dr. Sun":Im Schmelztiegel

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Die Teenager-Tragikomödie "Meeting Dr. Sun"

Freunde müssen sich erst mal zusammenraufen, heißt es, das kann man auch ganz wörtlich nehmen. Der unermüdliche Kämpfer Sky und der smarte Lefty wälzen sich erst auf dem Asphalt und prügeln sich, bevor sie dann durchs nächtlich leere Taipeh hetzen und sich verbünden, um ihrem Schicksal zu trotzen. Denn beide sind "doomed to be poor", verurteilt dazu, arm zu sein. Es würde einen auch nicht mehr wundern, wenn sie Blutsbrüderschaft schließen oder irgendjemand aus dem Off sagen würde: "Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft". Denn der taiwanesischen Regisseur Yee Chih-Yenie mischt in seiner absurden Highschool- und Teenager-Tragikomödie "Meeting Dr. Sun" alle möglichen Genres und Stilelemente mit dem Schneebesen zusammen.

Wer mag, findet darin Slapstick, Manga-Comics und ein klein wenig Teenager-Nightmare, einen Hauch von "Drei Fragezeichen", eine ordentliche Prise Film noir und außerdem versteckte Gags. Die Schüler beispielsweise, die in diesem Film im Ensemble auf Instrumenten herumklimpern, spielen ziemlich falsch. Die Titelmelodie hebt an, als fegte gleich ein Durbridge-Krimi los, und mündet in Piazzolla-Jazz. Und die Musik, die den Film bestimmt, stammt aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten", mutmaßlich aus dem Frühling, das ist die beste Zeit für Revolten. Über weite Strecken kommt "Meeting Dr. Sun" als Sozialdrama daher, es ist aber auch ein Gaunerstück mit Pantomime. Ein Film wie ein Chamäleon.

Yee Chih-Yenie packt stilistisch alles mögliche in den Schmelztiegel, und diese kleinen Raubzüge passen wunderbar zum Thema: der Geschichte von rivalisierenden Highschool-Schülern, die auf die Idee kommen, eine im Depot verstaubende Bronzestatue zu klauen. Das Stück zeigt den chinesischen Staatsgründer Sun Yat-sen und soll verschrottet werden, damit die Jungs mit dem Erlös ihre Schulgebühren bezahlen und das Geld für Abschlussfahrten aufbringen können. Erwartet einen deshalb eine mitreißende Komödie? Nach westlichen Maßstäben eher nicht. "Meeting Dr. Sun" plätschert langatmig dahin, die subtilen Pointen zünden nicht so recht, erst nach einer gefühlten Stunde geht der Raubzug los. Und der ist im Wesentlichen auch nur: schön anzuschauen. Tatsächlich geht es Yee Chih-Yenie wohl um etwas anderes: schillernd verpackte Sozialkritik, das ist schließlich das Grundmotiv. In einer Szene kommt der Filmemacher seiner Intention ganz nahe: wenn sich Lefty und Sky in dem grotesken Wettstreit übertrumpfen, wer die ärmste Familie hat.

© SZ vom 08.08.2015 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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