Starnberg:Im Schlaf geküsst

Lesezeit: 2 min

24-Jähriger erhält wegen sexueller Nötigung Bewährungsstrafe

Von Christian Deussing, Starnberg

Die 17-Jährige hatte geschlafen, als der Mitpatient sie küsste und streichelte. Der junge Mann machte davon ein Handyvideo, stellte die Aufnahme auf Facebook. Er schickte sie mit einer Beleidigung aber versehentlich nicht an sie, sondern an eine Mitbewohnerin der Patientin. Wegen dieser Vorwürfe musste sich der Mann jetzt vor dem Jugendgericht Starnberg wegen sexueller Nötigung verantworten, bei der er laut Anklage den "höchstpersönlichen Lebensbereich" der Jugendlichen verletzt habe. Der 24-jährige Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung und 120 Sozialstunden verurteilt.

Richter Ralf Jehle sah es als erwiesen an, dass der Mann seinerzeit den schläfrigen Zustand der Patientin ausgenutzt habe und überdies "ohne ihr Einverständnis" ein Whatsappvideo erstellt und verschickt habe. Der Vorfall spielte sich im vorigen Jahr im Gautinger Krankenhaus ab, wo sich die beiden Eritreer anfreundeten, gegenseitig im Zimmer besuchten, auch spazieren gingen und sich küssten. Dabei waren Fotos und Selfies gemacht worden. Das bestätigte das heute 18-jährige Mädchen, das aber nur stockend und unter Tränen von dem Fall berichtete. Den Kontakt habe er gesucht, später habe sie sich aber von ihm distanzieren wollen und "Angst bekommen". Sie habe es ihm aber nicht gesagt, erzählte die 18-Jährige, die in einer Jugendhilfe-Einrichtung im Allgäu lebt.

Dort zeigte ihr die Mitbewohnerin später die Kussszene vom Krankenbett. An die Situation konnte sich aber die Betroffene nicht erinnern und reagierte auf das Video total schockiert. Zwei Tage später habe sie deswegen einen Suizidversuch unternommen, sagte ihre Betreuerin in der Verhandlung. Die Sozialpädagogin erklärte diese heftige Reaktion damit, dass das Mädchen "größte Sorge hatte, dass im Internet die Familie und der Bekanntenkreis davon erfährt". Die Zeugin verwies darauf, dass die 18-Jährige sehr konservativ bei ihrer Großmutter aufgewachsen sei und in ihrer Kultur und Religion die "Zuneigung und Berührung in der Öffentlichkeit nicht unbedingt gewünscht" seien.

Dieses Motiv mit den offenkundig schlimmen psychischen Folgen für die Eritreerin griff auch der Staatsanwalt in seinem Plädoyer auf. Denn sie habe wegen des unwissentlich gemachten Videos "ihr Gesicht verloren" und könnte somit auch als "leichtes Mädchen" gelten. Der Ankläger betonte, dass es dem Mann darauf angekommen sei, den Ruf seiner Klinik-Bekanntschaft zu schädigen. Er habe außerdem den Kopf der sehr schläfrigen Patientin zu seinem Gesicht hingedreht. Der Staatsanwalt forderte eine Haftstrafe von neun Monaten zur Bewährung.

Dagegen verlangte der Verteidiger einen Freispruch. Denn eine Videosequenz zeige, dass die Jugendliche auch in die Kamera geschaut habe. Sein Mandant habe sie geweckt, sodass sie den Kuss "sehr wohl mitbekommen" habe. Der Angeklagte war sich keiner Schuld bewusst. Er habe sich nur an seinem letzten Kliniktag von ihr verabschieden und sie so in Erinnerung behalten wollen, beteuerte der 24-Jährige.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: