Starnberg:"Ich glaube ganz fest an eine Seele"

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Marianne Sägebrecht ist gemeinsam mit dem Musiker Josef Brustmann und Saxophonist Andy Arnold auf Tour. (Foto: Claus Schunk)

Marianne Sägebrecht über die "Sterbelieder fürs Leben", die sie mit Josef Brustmann und Andy Arnold in Starnberg gibt

Interview von Gerhard Summer, Starnberg

Erst gab es die CD, längst ist das Trio mit dem Programm auf Tour: Die Schauspielerin Marianne Sägebrecht, der Musiker und Kabarettist Josef Brustmann und der Saxophonist der Monaco Bagage, Andy Arnold, gaben ihre "Sterbelieder fürs Leben" mit Texten völlig unbekannter und berühmter Dichter schon in Luxemburg, Österreich und natürlich Bayern. Inzwischen dürften an die 100 Gastspiele zusammen gekommen sein, der nächste Auftritt ist am Sonntag in Starnberg. Die SZ sprach mit der in Schäftlarn lebenden Marianne Sägebrecht, 70, über das Programm.

SZ: Sterbelieder in Zeiten des Terrors, ist das nicht problematisch?

Nein, im Gegenteil, das sind Lieder vom Sterben fürs Leben, wir machen das schon im fünften Jahr und sind sehr stark mit der Hospizbewegung und der palliativen Medizin verbunden. Das ist mir ein großes Herzensanliegen, ich bin ja auch gelernte medizinisch-diagnostische Assistentin.

Es geht mehr ums Leben als ums Sterben?

Ja, es gibt ein schönes Bild dafür im Lied "The Rose" von Bette Midler: Der Zweig erfror bei Nacht, im Frühjahr jedoch blühte eine rote Rose. Also: Der Stamm ist noch da, es ist nichts verloren. Midler meint damit, dass man das Leben nicht wegtrennt vom Sterben, denn wer Angst hat vom Sterben, der fängt nie zu leben an. Als Josef Brustmann die Gedichte gesammelt hat und ich meine dazu gebracht habe, war klar: Es geht uns darum, Menschen zu trösten. Wenn man überhaupt nicht gefasst ist, wenn man sich mit dem Tod gar nicht auseinandersetzt im Leben, ist das alles auch sehr einspurig. Bei den "Sterbeliedern fürs Leben" kommt auch der "Tod der Jahreszeiten" vor, der "Tod der Liebe", das "Mundtotmachen der Dichter" - das gehört für uns alles zusammen. Außerdem gibt es schöne Sachen von Clemens Brentano und von Bertolt Brecht, der sagt, es geht nur ums Leben, weil es nichts nachher gibt. Das war sein Glaube.

Was glauben Sie?

Schon als ich fünf Jahre alt war, war für mich klar: Nichts kann verschwinden, es wandelt sich. Ich glaube ganz fest an eine Seele, ich glaube auch ganz fest daran, dass jeder Menschen zum Licht kommt, wenn er geht. Wichtig ist, dass man den Menschen begleitet und nicht alleine lässt. Wenn man zur Welt kommt, braucht man eine Hebamme, und wenn man geht, braucht man wieder eine.

Der Alltag in deutschen Heimen sieht oft anders aus, da sterben viele alte Menschen ganz allein.

Richtig, das ist sehr traurig. Gestern waren wir in Bietigheim am Rhein und haben mit Krankenschwestern gesprochen. Sie sagten: Im Rahmen ihrer Zeitstruktur könnten sie es kaum leisten. . .

Sie können sich schlicht nicht kümmern?

Ja, dafür ist intern eine Gruppe gegründet worden, die das übernimmt. Mir geht es auch sehr stark um die letzte Ehre, dass man für den Sterbenden betet, dass die Menschen zusammenkommen, wie es früher normal war und in alten Religionen selbstverständlich ist.

Helfen Sie Hospizen auch finanziell?

Wir unterstützten sie, indem wir für sie Werbung machen. Die Barmherzigen Brüder in München zum Beispiel, das ist das beste Hospiz, das man sich vorstellen kann. Und wir haben auch in Starnberg und in Tutzing wunderbare Abteilungen in palliativer Medizin. Jetzt gibt es eine neue Bewegung: Der Patient geht nach Hause, wenn es möglich ist, und er bekommt dort Schmerzerleichterung und Zuwendung. Mein Gefühl ist, dass die Leute emphatischer werden für dieses lange tabuisierte Thema. Was vor allem auch für junge Menschen gilt. Ich wurde ja immer belächelt, weil ich gesagt habe: Es wird besser. Am Anfang sind wir wegen der "Sterbelieder fürs Leben" sogar verlacht worden, es hieß, das müsste man doch mit Aberwitz angehen. Aber ich bin durch meine Enkelin mittendrin, und ich habe schon mit 14 Jahren sterbenskranke Menschen besucht und getröstet, das war für mich immer sehr wichtig. Wir hatten an der Realschule Wolfratshausen eine Theatergruppe, der Lehrer hat immer zu mir gesagt, du musst Schauspieler werden. Aber ich wollte etwas anderes machen, ich wollte Menschen zur Seite stehen. Deshalb habe ich auch diesen Beruf gelernt, mein Arzt war ein großer ganzheitlicher Mediziner.

Geht es in Ihrem Programm nicht auch um Gelassenheit und Humor?

Genau, die Heiterkeit ist so wichtig. Ich liebe ein Gedicht von Johannes Bobrowski, die "Dorfmusik", da beschreibt er die Situation aus dem Sarg heraus, wie einer, der "keinen Hut mehr auf dem Haar" hat, noch hört, was die Menschen sprechen, und sagt: "Keiner hat mich angefasst". Das Trennen der Seele vom Körper ist auch ein Thema. Der Josef Brustmann hat ein Stück, da geht es darum, dass der Mensch alles sammelt, vom Carport bis zur PIN-Nummer. Und am Ende liegt er selber in einem Gefäß und kann nichts mitnehmen. Da können die Leute sich noch einmal selbst spiegeln. Wir drei sind am Schluss auch immer ganz erfüllt und bleiben noch, wenn Fragen kommen.

Die "Sterbelieder fürs Leben" sind am 22. November, 18 Uhr, im Evangelischen Gemeindesaal Starnberg zu hören. Karten: 08151/12319.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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