Virusgefahr:Hühner müssen drinnen bleiben

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Ministerium ordnet wegen Vogelgrippe Stallpflicht an. Bis dahin gilt noch eine Schutzzone um den Starnberger See

Von Astrid Becker, Armin Greune, Starnberg

Am Freitagvormittag ist im Landratsamt eine wichtige Entscheidung getroffen worden: Auch um den Starnberger See wurde eine drei Kilometer umfassende Schutzzone eingerichtet. Das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Reims hatte an diesem Tag den zweiten Vogelgrippefall im Landkreis bekanntgegeben. Es handelt sich dabei um eine verendete Reiherente, die am Mittwoch am Westufer des Starnberger Sees bei Feldafing gefunden worden war. Am frühen Freitagnachmittag hatte das Starnberger Veterinäramt zudem fünf weitere Verdachtsfälle im Kreis gemeldet. Wenig später jedoch war die Entscheidung letztlich hinfällig geworden: Das Bayerische Umweltministerium ordnete eine allgemeine Stallpflicht an. Das Landratsamt muss sie nun umsetzen.

Bis zum Inkrafttreten der entsprechenden Verfügung - was laut Landratsamtssprecher Stefan Diebl voraussichtlich am Dienstag der Fall sein wird - gilt nun noch die neue Schutzzone am Starnberger See, die 77 Geflügelhalter in Starnberg, Berg, Pöcking, Feldafing und Tutzing betrifft. In nur wenigen Tagen jedoch gilt die Stallpflicht nicht nur für ihre Tiere und die der Geflügelhalter in der Schutzzone am Ammersee. Dort war die hochansteckende Vogelgrippe H5N8 bei einer toten Lachmöwe zum ersten Mal im Kreis nachgewiesen worden. 71 dortige Geflügelhalter mussten bereits ihre Tiere in Ställe sperren. Doch auch vielen anderen, denen die Stallhaltung nur empfohlen wurde, deren Tiere also theoretisch frei herumlaufen durften, hatten diese Nachrichten Kopfzerbrechen bereitet. Eine Andechser Geflügelzüchterin hatte dem Vernehmen nach bereits darüber nachgedacht, ihre Tiere vorzeitig zu schlachten und einzufrieren - ehe womöglich eine allgemeine Stallpflicht angeordnet wird. Die Ereignisse haben die Überlegungen der Frau überholt. Sie wird sich jetzt entscheiden müssen: alle Tiere töten oder alle einsperren - zumal sich die Lage im Kreis weiter verschärft.

Denn das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat bereits in den Organen von fünf weiteren Vögeln - bei zwei Tieren in Feldafing und jeweils einem in Herrsching, Inning und Starnberg - das Aviäre Influenza Genom vom Subtyp H5 nachgewiesen. Die Proben wurden zur Bestätigung, Subtypisierung und Pathogenitätsbestimmung an das Friedrich-Löffler-Institut weitergeleitet. Ergebnisse werden im Laufe der kommenden Woche erwartet.

Unabhängig davon waren bereits einige der 495 Geflügelhalter im Kreis der Empfehlung des Landratsamts gefolgt: Etwa Magnus Ruhdorfer aus Rausch bei Herrsching oder Stefan Dellinger vom Konradhof in Unering. Andere werden erst jetzt ihre Tiere in Ställe sperren. Michael Friedinger aus Farchach zum Beispiel. Trotz mancher Zweifel, inwieweit die Vogelgrippe nicht bloß ein Medienhype ist, kann er den Sinn der jetzigen Stallpflicht erkennen. Da der Virus offenbar über Zugvögel eingeschleppt werde, sei "es auch ein gewisser Schutz, wenn von oben nix 'runter kommen kann". Der Landwirt, der etwa 570 Hennen und 12 Hähne nach den strengen Demeter-Richtlinien hält, hat in seinem Mehrklimazonenstall genügend Platz, alle Vögel unterzubringen. Doch eigentlich sind sie ihren täglichen Auslauf gewöhnt, die Freiflächen müssen sehr großzügig angelegt sein, um den Auflagen des Bioverband zu genügen. Neben einem Laufhof, der mit scharrfähigen Materialien wie Hackschnitzeln eingestreut wird, ist ein Grünauslauf gefordert. Insgesamt müssen für jede Legehenne vier Quadratmeter Freifläche zur Verfügung stehen. Um seinen Demeter-Status nicht zu verlieren, muss er dem Verband die Bestätigung des Amtstierarztes zur Stallpflicht vorlegen, was aber nun kein Problem sein dürfte.

Wenn scharfer Dauerfrost oder Starkregen herrschen, durfte Friedinger seine Hühner auch bisher schon einen oder zwei Tage lang im Stall einsperren. Allerdings kann er ihnen neben dem Warmstall einen Außenklimabereich anbieten, den er flapsig "Wintergarten" nennt. Dieses überdachte Areal bietet dem Geflügel mit mardersicherem Gitter Schutz, aber auch Flächen zum Scharren an der frischen Luft. Solange die Temperaturen nicht unter Minus 15 Grad absinken, stehen die Luken zum Warmstall zumindest tagsüber immer offen.

Und dennoch hat der Landwirt beobachtet, dass die Hühner ihr Verhalten ändern, wenn sie ausnahmsweise eingesperrt sind. Damit sie sich dann nicht gegenseitig ans Gefieder gehen oder gar aufeinander einhacken, "brauchen sie mehr Beschäftigung", sagt Friedinger. Deshalb legt er Picksteine im Stall aus oder holt sich beim Nachbarn gelbe Rüben aus Ausschussware und bietet sie im Ganzen in Körben an, die Hühner können dann stundenlang daran herumpicken. Anstelle des frischen Grases im Freilauf bekommen sie nun fein geschnittenes Heu, das sei auch für den Geschmack der Eier wichtig.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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