Starnberg:Hengersberg ist überall

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Django Asül. (Foto: Arlet Ulfers)

Kabarettist Django Asül mit seinem Programm "Letzte Patrone" in der Schlossberghalle

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Hengersberg - wo bitte liegt Hengersberg? Für Django Asül ist die abgelegene 7191-Seelen-Gemeinde im Landkreis Deggendorf der Nabel der Welt. Hier ist der Kabarettist mit türkischstämmigen Wurzeln aufgewachsen, hier lebt er heute noch, hier kann er den Leuten auf Maul schauen. Beispielsweise am Stammtisch, seiner "Heimat in der Heimat" oder im Café. Dort hört er genau zu und sammelt Stoff für seine Auftritte. "Letzte Patrone" heißt das Programm, mit dem er nun die Besucher in der vollen Starnberger Schlossberghalle begeisterte.

Die Stammtischbrüder sagen dem niederbayerischen Türken in ihrer Mitte unverblümt ihre Meinung. Asül rede "g'scheit daher", weil er nach Aufmerksamkeit lechze. Weil er aber nicht mag, dass jemand dazwischen quatscht, stehe er seit 20 Jahren auf der Bühne. Am Stammtisch hat Asül Demut kennengelernt, als "die Fähigkeit seinem Gegenüber nicht erkennen zu lassen, dass man selbst etwas Besseres ist." Scheinbar harmlos erzählt Asül von seiner Kindheit in Hengersberg, von der Feuerwehr, den Veteranen oder wie er eine Bürgerwehr gegründet hat. Doch so idyllisch, wie es den Anschein hat, ist das Landleben in Hengersberg nicht. Dort werden die Leute von diffusen Ängsten geplagt. Für die Leute in dem Ort im Osten Niederbayerns rückt der Nahe Osten immer näher, und der Absatz von Pfefferspray und Gaspistolen steigt. "Da wird der Nahe Osten zum Dahen Osten", sagt Django Asül, also zum Otsen, der schon da ist, und den dumpfen Klischees werde Tür und Tor geöffnet.

Prototyp eines Alltagsmenschen ist Asüls Stammtischbruder Hans, das "Original aus Schlesien". Hans hat tolle Sprüche drauf. Er erklärt die Welt, wie sie ist im wirklichen Leben. Hans hat nichts gegen Flüchtlinge. "Aber leider sind mehr da, als nicht da." Mit volksnahen Parolen bringt Hans das Thema Europa auf den Punkt: "Wäre Europa ein Mensch, dann wäre er Steinzeichen Rindvieh mit Aszendent Volldepp." Immer wieder kommt der 45-Jährige zurück auf Europa und die eigenen türkischen Wurzeln. Dabei schlüpft er blitzschnell in verschiedene Rollen, wechselt Tonlage und Mimik. Den türkischen Akzent setzt er ebenso wohldosiert ein wie Kritik. Die Türken hätten schon sehr früh angefangen mit Studienreisen nach Deutschland, sagt er. Schon 1529 hätten sie Wien belagert und noch einmal 1683. Dass heute für jeden Flüchtling, der von Griechenland in die Türkei gebracht werde, wieder einer zurückkommt, versteht er nicht. "Das ist nicht Politik, das ist Halma." Asül redet ohne Punkt und Komma, springt ohne Übergang zwischen den Themen hin und her. Doch wenn er seine Augenbrauen nach oben und die Mundwinkel skeptisch nach unten zieht, wenn er mit großen Augen eine Kunstpause macht und einen Schluck aus seinem Weißbierglas nimmt, weiß jeder im Publikum: Jetzt kommt die Pointe, treffsicher und selbstironisch.

Asül punktet mit türkisch-niederbayerischen Charme, aber er ist auch ein begnadeter Schauspieler. Er wettert über die "SUV-Epidemie", gibt aber gleichzeitig zu, dass sein Sportwagenherz für einen "V8-Bi-Turbo" schlägt, weil er damit schneller unterwegs ist. "Das belastet die Umwelt kürzer." Vom Wettrüsten auf der Straße spannt er den Bogen über die Zinspolitik hin zu Leuten, die anderen bei der Arbeit zuschauen und ein Buch darüber schreiben wie etwa der Unternehmer Carsten Maschmeyer. Auch die Starnberger bekommen ihr Fett weg. Die Kreisstadt habe bei den Kommunalwahlen Standards gesetzt, angeblich hat sich da sogar Erdogan Tipps geholt.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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