Starnberg:Hausbesitzern drohen Nachzahlungen

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Der Stadtrat wird erneut über die Erhebung von Beiträgen zum Straßenausbau diskutieren müssen. Die 2015 beschlossene Aufhebung der Satzung durch Bürgermeisterin Eva John hat das Verwaltungsgericht kassiert

Von Peter Haacke, Starnberg

Wenn die Bauarbeiter mit Baggern und anderem schweren Gerät anrücken, um löchrige Straßen und Gehwege zu sanieren, hält sich die Freude bei betroffenen Anliegern zumeist in Grenzen. Oft genug werden sie an den Kosten beteiligt. Dann können - je nach Grundstücksgröße - bis zu fünfstellige Beträge für Grund- und Immobilienbesitzer fällig werden. Grundlage dafür ist die im bayerischen Kommunalabgabengesetz verankerte Straßenausbaubeitragssatzung - kurz: Strabs. In Starnberg ist die ungeliebte Satzung seit 1. April 2015 aufgehoben. Doch so wird es nicht bleiben: Das Verwaltungsgericht hat schon im März geurteilt, dass die Starnberger Strabs rechtswidrig außer Kraft gesetzt wurde. Der Stadtrat wird sich erneut mit der Angelegenheit befassen - und einige Bürger müssen voraussichtlich mit Nachzahlungen rechnen.

Auf dem Höhepunkt der Wahlkampfschlacht zu den Neuwahlen für den Stadtrat hatte Starnbergs Bürgermeisterin Eva John im Frühjahr 2015 eine vermeintlich gute Idee: Sie setzte die ungeliebte Satzung, die Anlieger seit Jahren kostenmäßig an allerlei Sanierungsmaßnahmen im öffentlichen Raum beteiligt, ohne Beschluss des Stadtrats außer Kraft. Die alleinverantwortliche Entscheidung kurz vor dem Urnengang wurde von der politischen Konkurrenz heftig kritisiert. Kurz darauf legte die Kommunale Rechtsaufsicht am Landratsamt ihr Veto ein: Starnberg verfüge nicht über die finanziellen Voraussetzungen für eine ersatzlose Streichung der nach Paragraf 5 im bayerischen Kommunalabgabengesetz geforderten Beiträge. Der seit 1. April 2015 geltende Aufhebungsbeschluss zur Ausbausatzung der Stadt Starnberg sei rechtswidrig und umgehend aufzuheben. Der Stadtrat beschloss im Oktober 2015 aber mehrheitlich, gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht München zu klagen. Die Klage wurde im März 2017 abgewiesen, seit Anfang August liegt auch die Begründung der Richter für das Urteil vor.

Hinter der Straßenausbaubeitragssatzung verbirgt sich eine hoch komplexe Materie, die bei betroffenen Grundstücksbesitzern in etwa so beliebt sein dürfte wie Fußpilz, wenn Straßen und Bürgersteige saniert werden, eine neue Straßenbeleuchtung fällig ist, Plätze, Parkplätze, Grünanlagen oder öffentliche Spielplätze gebaut werden: Der Bürger zahlt mit. Seit Jahren gibt es erbittert geführte Auseinandersetzungen darüber, ob und wie gerecht die Strabs ist. Betroffene bezeichnen sie zumeist als ungerecht, unausgewogen und unsozial. Für viele Kommunen ist sie dagegen ein wichtiges Instrument zum Unterhalt gemeindlicher Straßen und Wege.

Der bayerische Landtag hatte sich ausführlich mit der Angelegenheit befasst und im Herbst eine Neufassung beschlossen, die den Kommunen Spielräume zur Beitragserhebung einräumt. Im Grundsatz aber bleibt die Verpflichtung zur Strabs bestehen, eine Abschaffung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich: Die Kommune muss eine "atypische Situation" hinsichtlich ihrer Finanzen vorweisen können. Im Klartext: Die Gemeinde ist so vermögend und finanziell dauerhaft so gut ausgestattet, dass sie Beiträge ihrer Bürger nicht benötigt. Das ist in Starnberg aber aus verschiedenen Gründen nicht der Fall. Auf 22 Seiten begründeten die Richter, warum die Klage der Stadt gegen den Entscheid der Kommunalen Rechtsaufsicht abgewiesen wird.

Der Stadtrat wird nun entscheiden müssen, ob man weiter mit dem Freistaat streiten will und in Berufung geht oder das Urteil akzeptiert. Wie immer auch die Entscheidung ausfallen wird: Starnberger Grundstücksbesitzer, an deren Grenzen seit 1. April 2015 im öffentlichen Auftrag gebaut, saniert und verschönt wurde, müssen im Nachhinein damit rechnen, zur Kasse gebeten zu werden. Zur Vermeidung von Härten haben sechs der insgesamt neun im Stadtrat vertretenen Fraktionen beantragt, eine neue städtische Satzung zur "bürgerfreundlichen Erhebung von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen" zu erstellen, die sich im Grundsatz an den Rahmenvorgaben der Bayerischen Gemeindeordnung orientiert. Wesentlich ist dabei auch die Unterscheidung zwischen einer Ersterschließung von Straßen etwa in Neubaugebieten, die laut Baugesetzbuch mit 90 Prozent zu Lasten der Anwohner abgerechnet werden, und einer grundlegenden Sanierung "alter" Straßen, für die das wesentlich günstigere Kommunalabgabengesetz die Grundlage bilden soll. Im Stadtrat dürfte sich also eine spannende Debatte um die neue Starnberger Straßenausbaubeitragssatzung ergeben, die nach aktuellem Stand aber nicht öffentlich geführt werden soll.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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