Starnberg:Große, kleine Welt

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Es ist fast alles in diesem Laden an der Hanfelder Straße in Starnberg zu haben: Die "Bastel Boutique", die es seit 35 Jahren gibt, ist inzwischen die einzige ihrer Art in der südlichen Region. Sybille Dimbath führt das Geschäft

Von Sabine Bader, Starnberg

Es ist der Eintritt in eine andere Welt, die Welt der kleinen und doch großen Dinge. Seit 35 Jahren gibt es die Starnberger "Bastel Boutique", und sie ist mittlerweile das einzige reine Bastelgeschäft zwischen München, Landsberg und Garmisch. Alle anderen Läden dieser Art mussten schließen - ob sie jetzt in Dießen, Ebenhausen, Landsberg oder Weilheim lagen. Sybille Dimbath aber denkt nicht ans Aufhören. Die 71-Jährige will noch eine ganze Weile weitermachen. Und dafür hat sie ein einfaches Erfolgsrezept: ein großes Sortiment und eingehende Beratung. Weit mehr als 10 000 verschiedene Artikel hat sie in ihrem Laden, und von jeder Sorte viele verschiedene: Lederbänder in allen Farben und Malsachen aller Art sind da noch das Gängigsten. Es gibt auch massenhaft Federn, Seidenblumen, Holz- und Styroporutensilien. Es gibt Regale mit Perlen und Schmuck, Verzierwachs für Kerzen, Keramik- und Gießmasse, kurz: Was das Herz begehrt oder noch nicht weiß, dass es sie begehrt. Natürlich hat Dimbath auch alles für Origami und Filzen. Sie verkauft Strickwolle und Papiere unterschiedlichster Art, Farbe und Stärke.

"Ich habe praktisch alles, nur keinen Platz", bringt sie die Situation auf den Punkt. Das stimmt, denn das 85 Quadratmeter große Geschäft ist buchstäblich voll bis unter die Decke. An den Wänden sind überall Regale, die meisten davon selbst gebaut, und oben drauf stehen Schachteln. Darin ist das, was man gerade aufgrund der Jahreszeit nicht braucht. "Weihnachten" steht darauf zu lesen, auf einer anderen heißt es "Fasching". Momentan sind natürlich Eier und Küken gefragt, und alles, was mit Ostern zu tun hat.

Aber das ist nicht das, was den Laden für die Kunden so besonders macht. Es ist die Vielfalt und die Tatsache, dass Dimbath eigentlich immer Rat weiß. Schon weil sie selbst sieben Enkel im Alter zwischen sechs und 14 Jahren hat. "Ich habe das Meiste, was ich habe, selbst ausprobiert", sagt sie. Ihre Hobbys hat sie praktisch zum Beruf gemacht. Sie ist eine "leidenschaftliche Bastler- und Näherin".

Die Türglocke geht. "Ich bräuchte Wackelaugen", sagt eine Frau. Für Dimbath kein Problem. Zielstrebig greift sie unter den Kassentisch und zieht das Gewünschte heraus. Das ist erstaunlich angesichts der Füll an Dingen. Die Kundin ist übrigens aus Hechendorf und heißt Daniela Carapacchio. Sie kommt eigens nach Starnberg, um in die Bastelboutique zu gehen. Und es ist natürlich nicht das erste Mal, dass sie da ist. Denn Carapacchio macht Kinderbastelkurse und Bastelläden sind bekanntlich rar. Die 39-Jährige hat selbst zwei Kinder im Bastelalter und schwört auf die "vielen Ideen und Ratschläge", - etwa, welche Farben besonders gut für die ganz Kleinen geeignet sind.

Doch die Medaille vom Riesensortiment hat auch eine Kehrseite: Denn hier Inventur zu machen, ist wahrlich kein Vergnügen. Wochen lang war die Eigentümerin immer mit ihren Kindern und Freunden damit beschäftigt, alles genau zu zählen und aufzulisten. "Ich habe alle eingespannt, sonst ginge es gar nicht," sagt sie. Ihre erste Inventur hat beispielsweise ihre Tochter Nicola Schüpferling mitgemacht, als sie gerade mal fünf war und schon fehlerfrei zählen konnte. Sie musste Perlen abzählen. 25 Jahre lang hat die heute 44-Jährige inzwischen in den Weihnachtsferien Inventuren im Laden ihrer Mutter mitgemacht und die ist auch ihre potenzielle Nachfolgerin. Seit Sommer ist sie mit von der Partie und arbeitet an zwei halben Tagen im Laden. Da sie einen kreativen Beruf gelernt hat, sie ist Grafikerin, hat sie auch immer neue Ideen für das Geschäft. "Das macht echt Spaß", sagt sie. Und ihr großer Vorteil ist: Sie weiß ebenso wie die Mutter von Haus aus, wo alles steht. Nur beim Preis ist, wie sie sagt, manchmal Kreativität gefragt, auch wenn Dimbath großen Wert darauf legt, dass alles ausgezeichnet ist. Das muss auch so sein, denn es sind noch andere 450-Euro-Mitarbeiter im Laden beschäftigt und die sollen schließlich wissen, woran sie sind. Aber ab und zu rutscht bei der Fülle an Artikeln etwas durch oder geht ein Preisschildchen ab.

Weit zu fahren hat die Tochter auch nicht ins Geschäft der Mutter. Sie wohnt mit ihrem Mann und den drei Kindern im Schul- und Kindergartenalter in Hohenschäftlarn. Schon darum wird in ihrem Haus ebenfalls viel gebastelt. Inventuren sind in der Bastel Boutique übrigens heute kein Thema mehr. Mittlerweile reicht eine Einnahmeüberschussrechnung. Und die geht natürlich wesentlich schneller. Auch Freunde muss man dazu nicht mehr einspannen. Auch Dimbath hat übrigens nicht weit ins Büro. Sie wohnt in Wolfratshausen, liebt ihr Haus mit Garten dort und spielt noch immer leidenschaftlich gerne Tennis.

Doch nicht nur die Tochter hat neue Ideen, auch die Chefin ist ständig am Umbauen und Räumen. "Ich muss immer Platz schaffen" sagt sie. Es geht ihr natürlich auch darum, mit ihren Artikeln im Trend der Zeit zu sein. Momentan sind Malbücher für Erwachsene und große Kinder besonders gefragt und alles, was mit Decoupage-Papier zu verzieren ist. Das ist eigentlich alles - vom Möbelstück bis zum Teller. Der klebende Acryllack, den man danach aufstreicht, macht dann das Papier absolut fest und den Gegenstand rein optisch zu einem völlig neuen. Ja, und dann sind da noch die besonderen Ausstechförmchen, mit Hunden, Insekten, wilde Tieren und Dinos, die gehen eigentlich immer - schon, weil die Leute zu jedem Anlass backen: zu Geburtstagen genauso wie zu Weihnachten. Sogar den Eiffelturm gibt es. Und man kann mit den silberfarbenen Formen natürlich auch Mobiles aus Ausstechmasse bauen. Aber nun genug der bunten Bastelwelt. Es ist jetzt 9.30 Uhr, an diesem ganz normalen Werktag. Langsam wird es voll in Sybille Dimbaths Laden. Sie hat keine rechte Zeit mehr, sich mit wissbegierigen Reportern zu unterhalten und für Fotos zu posieren. Sie muss Kunden beraten, denn die haben alle Bastelfragen.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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