Starnberg:Geträumte Liebe

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Ruth Beckermanns Film über Bachmann und Celan

Von Anna-Elena Knerich, Starnberg

"Ein Wort von Dir, und ich kann leben." Schauspieler Laurence Rupp liest aus einem Brief von Paul Celan an Ingeborg Bachmann. Dieser Satz beschreibt ziemlich gut die mehr als 20-jährige Lebens- und Liebesgeschichte der berühmten Dichter: Ihre Liebe ging über alles Körperliche hinaus, überdauerte jahrelange Trennung und Ehen mit anderen Partnern - und schien fast nur durch Worte in Briefen zu leben.

Dieses außergewöhnliche Verhältnis zweier nicht ganz einfacher Persönlichkeiten setzt die österreichische Regisseurin Ruth Beckermann in "Die Geträumten" auf ungewöhnliche Art filmisch um: Mit intensiven Nahaufnahmen und minimaler Requisite zeigt sie die Schauspieler Anja Plaschg und Laurence Rupp, die in einem Tonstudio aus den Briefen der beiden Schriftsteller vorlesen. Dabei werden auch immer wieder die Reaktionen der Schauspieler auf die Briefe sichtbar und spürbar; der Film bewegt sich auf einer Meta-Ebene, die Darsteller verschmelzen mit den Dargestellten. So diskutieren Plaschg und Rupp, die Celan und Bachmann im Übrigen sehr ähnlich sehen, in den Aufnahmepausen über die Liebe an sich, Celans Wut auf die Nazis oder Bachmanns "Rolle der Klagenden". Dass Anja Plaschg Tränen in den Augen hat, als sie eine besonders intime Textpassage vorliest, hilft dem Publikum beim Bewältigen der schweren Thematik; ermöglicht gewissermaßen ein kathartisches Moment.

Denn die Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, die 1948 begann und mit dem Suizid Celans 1970 endete, war trotz Phasen ekstatischer Liebe von Anfang an eine dramatische, ja tragische Liebesgeschichte. Sie stand im Zeichen der Vernichtung und der Nachkriegszeit, was besonders Celan beschäftigte, dessen jüdische Eltern im Holocaust umgekommen waren. Celan lebte in Paris, und so versuchte Bachmann, sich aus der Entfernung nur durch Briefe in ihn hineinzuversetzen - wobei sie oft an ihre Grenzen stieß und trotz ihrer tiefen Liebe Zweifel, gar Furcht vor einem Wiedersehen in Paris ausdrückte. Das jedoch war wohl das Besondere an den beiden: Eine "normale Liebesbeziehung" zwischen ihnen war schier nicht möglich, weil beide niemals aufhören konnten, den anderen zu ergründen und so immer auf das "Fremde" in ihm stießen. Sie waren immer nur "die geträumten" Liebenden.

Auch diese einzigartige Nähe auf Distanz hinterfragen Plaschg und Rupp in do-kumentarischen Sequenzen: Beim Rauchen unterhalten sie sich über das gegenseitige Unverständnis und die Sehnsucht der beiden Schriftsteller, aber auch über Musik und Tattoos. Über die Beschäftigung mit ihren Rollen bauen die Schauspieler selbst Nähe auf und inspirieren dabei zum Philosophieren über die (Un-)Möglichkeiten der Liebe.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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