Starnberg:Geschichtsforschung aus dem Waschkorb

Lesezeit: 3 min

Einladungskarte aus dem Jahr 1963, als die SPD ihren 100. Geburtstag in Starnberg im Undosa feierte. (Foto: SPD)

Die SPD im Landkreis wird am diesem Freitag 70 Jahre alt und besinnt sich auf ihre Wurzeln

Von Christiane Bracht, Starnberg

Die Kreis-SPD besinnt sich auf ihre Wurzeln: Heute vor 70 Jahren, am 18. Dezember 1945 hat die amerikanische Militärregierung die SPD wieder zugelassen. "Wir sind stolz darauf, dass unsere Vorgänger unmittelbar nach dem Krieg im Landkreis wieder die rote Fahne gehisst haben", freut sich die Vorsitzende Julia Ney. Dabei sind die Genossen erst vor wenigen Wochen per Zufall auf ihr Jubiläum gestoßen, seither beschäftigt sie die Vergangenheit sehr.

Den Anstoß zur Geschichtsforschung gab offenbar die frühere Weßlinger SPD-Bürgermeisterin Monika Meyer-Brühl, die ihre Garage frei bekommen wollte und dem Kreisverband Waschkörbeweise Unterlagen zur Verfügung stellte. Andreas Schöpf, der sich vor allem um den Internetauftritt seiner Partei kümmert, schaute die Papiere durch und fing Feuer. In der Staatsbibliothek entdeckte er die Wiederzulassungsurkunde, forschte unter anderem im Starnberger Stadtarchiv und fand heraus, wer die SPD in den vergangenen Jahrzehnten geführt hatte. "Wir kennen inzwischen alle Kreisvorsitzenden, nur der Name des ersten, der 1945 die Partei wiederauferstehen ließ und sie in die Kommunalwahl im April 1946 führte, fehlt uns noch", sagt Schöpf. Erste Vermutungen, dass es Siegfried Ziegler aus Hechendorf gewesen sein könnte, stellten sich schnell als falsch heraus, denn Ziegler lebt noch und widersprach vehement. Er leitete die Genossen von 1951 bis 53. Nun spricht viel dafür, dass es Hans Sauermann aus Starnberg war. Denn er unterzeichnete laut Schöpf die Unterlagen der Militärregierung. In Frage kommt aber auch Benedikt Fischer aus Gauting. Der Kreisverband hofft noch auf wertvolle Hinweise.

Schwarz auf weiß belegt ist nun jedoch, dass die SPD seit 1946 ununterbrochen im Starnberger Kreistag vertreten war. Damals konnten die Genossen auf Anhieb zwölf Sitze erobern. "Drei mehr als heute", merkt Kreisrat Tim Weidner an. "Aber damals war die Konkurrenz auch geringer." Einen Landrat konnten sie jedoch nie stellen, aber dafür einige Stellvertreter: Rudi Schicht war der erste, dann Manfred Gutsch, Brigitte Servatius und nun Weidner. Das zeigt den Genossen, dass sie eine ernstzunehmende Kraft im Kreis sind. Schließlich tragen auch viele Beschlüsse sozialdemokratische Handschrift. So sei es der SPD zu verdanken, dass die Starnberger Klinik in kommunaler Hand geblieben ist und nicht verkauft wurde, erklärt Weidner. Ebenso habe man sich dafür eingesetzt, dass der Flughafen in Oberpfaffenhofen nicht für den Geschäftsflugverkehr geöffnet wird und dass die Fachoberschule nach Starnberg kommt, schreibt sich die SPD auch auf die Fahnen. Auch ganz am Anfang, Mitte der 1940er Jahre, war die SPD wichtig. Der Starnberger Bürgermeister Franz Heidinger etwa war Referent für die Versorgung mit Brennmaterial zum Kochen und Heizen. Damals ein sehr wichtiges Thema. In den 60er Jahren ging es um die Finanzierung weiterführender Schulen, konkret stand der Bau des Gilchinger Gymnasiums an. Außerdem debattierte man über den Bau des Landratsamts. Anfang der 70er Jahre besann man sich erstmals auf Umweltpolitik - "lang bevor es die Grünen gab", erinnert Weidner. Der SPD-Landtagsabgeordnete Reinhold Kaup machte sich gegen die Verschmutzung von Gewässern stark und plädierte für freie Seezugänge. Damals wurde gerne Grund an Reiche verkauft. Außerdem drängte Kaup den Freistaat, die Roseninsel zu erwerben. "Dass der Landkreis so gut dasteht, ist auch ein Verdienst der SPD", stellt Weidner klar.

Aus den Unterlagen wird aber auch deutlich, dass die SPD sich im Laufe der Zeit sehr gewandelt hat. Anfangs war es die Partei der Eisenbahner, der Heizer von der Seenschifffahrt und der Lohnmelker. Alle Mitglieder waren traditionell auch gewerkschaftlich organisiert und bei der Arbeiterwohlfahrt. In den 1970er Jahren änderte sich das. Die Intellektuellen entdeckten die SPD für sich, sehr viele traten ein. Es war die Blütezeit der Partei. Die Mitgliederzahl wuchs von etwa 400 auf mehr als 1000. "Das war der Willy-Brand-Effekt", weiß Sissi Fuchsenberger. "Es war ein riesen Hype. Aber es hat damals auch viel Zoff gegeben." Heute ist die SPD wieder bei ihren stabilen 400 Mitgliedern und man versucht sich neu zu positionieren. Im Rahmen einer Klausur mit Manfred Miosga wollen sich die Genossen im Frühjahr Gedanken darüber machen, wie man mit der Flächenzersiedelung umgehen soll, wie mit dem Thema Verkehr und der schwierigen Wohnsituation im Landkreis, die sich durch die Flüchtlinge noch verschärfen wird. Aber auch die Geschichte will der Kreisverband nicht aus dem Auge verlieren. Wer Unterlagen hat, darf sie gerne vorbeibringen.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: