Starnberg:Genie mit Herz

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Biker-Kluft über dem Rokoko-Frack: das Mostly Mozart Jazztrio bei seinem Auftritt zusammen mit Sprecher Hans Jürgen Stockerl (am Tisch). (Foto: Arlet Ulfers)

Das "Mostly Mozart Jazztrio" und BR-Sprecher Hans Jürgen Stockerl mit ihrer Konzertlesung in Starnberg

Von Gerhard Summer, Starnberg

Friedrich Gulda, der große Provokateur, spielte schon mal einen Hit der Doors als Zugabe. Aber Mozart zu verjazzen, das kam ihm nicht in den Sinn. Das übernahmen später andere, Chick Corea zum Beispiel und die Klazz Brothers. Oder eben das Mostly Mozart Jazztrio mit seinem Programm "Mozarts geheimes Tagebuch". Ob das gutgehen kann? Klar.

Letztlich lasse sich "jede Melodie dieser Welt auf Mozart zurückführen", sagt Musikkabarettist André Hartmann, der Bruder der Mostly-Mozart-Pianistin Astrid Hofmann, dem an diesem Abend im kleinen Saal der Schlossberghalle Prolog und Schlusswort zukommen. Und er führt es am Flügel auch gleich vor. "Let it be" etwa klingt eindeutig nach Mozart, Bachs "Air" ebenfalls. Nur als sich eine Zuhörerin "Eine kleine Nachtmusik" wünscht, wird es komplizierter. Dieses Stück stammt in Wahrheit nämlich von Scott Joplin und ist ein Ragtime. Sagt Hartmann.

Diese am Ende heftig beklatschte Konzertlesung fängt lustig an. Zwischendurch wird's zäh und eher putzig, als sich Bassist Bertram Liebmann eine Rokoko-Perücke aufsetzt und erfundene Einträge aus den angeblich in Bad Schallerbach entdeckten Aufzeichnungen runterliest. Aber spätestens mit dem Auftritt des exaltierten BR-Sprechers Hans Jürgen Stockerl in alter Biker-Kluft nimmt das Ganze an Fahrt auf. Denn mit einem Mal passt das alles zusammen: die manchmal nur leicht auffrisierten, oft verfremdeten und sehr modern wirkenden Sätze aus Klaviersonaten und -konzerten und die Auszüge aus Mozarts Briefen, die Stockerl ausdrucksvoll und mit Sinn für Spannung vorträgt.

Natürlich, das sind keine geheimen Notizen. Aber sie zeigen den berühmten Salzburger von einer Seite, die im Hype um die wüsten Bäsle-Briefe vielleicht untergegangen ist: als Genie mit Herz, das für seine Constanze alles unterschreibt. Als Komponisten, der um seinen Rang weiß, aber trotzdem geradezu abhängig ist von Aufmerksamkeit. Schließlich als Filou, der zumindest auf dem Papier heftig flirtet. Das Mostly Mozart Jazztrio zieht in den Lesepausen alle Register, um die Musik der Wiener Klassik ins 21. Jahrhundert zu holen: Mal wird aus einer Sonate ein Tango, der in druckvollen brasilianischen Samba übergeht. Mal bekommt ein Allegro einen Hauch von biederem Punk. Mal geht es hin zum Marschrhythmus oder zum Jazzrock, mal erinnert der Mozart-Swing an den dynamischen Stil des legendären Oscar Peterson, mal an Baden Powell. Oft geht das Trio simpel vor: erst das Originalthema, verstärkt mit dem leicht statischen Schlagzeug und dem als Melodieinstrument agierenden Bass, danach die Improvisation über ostinate Passagen, und nach dem Höhepunkt geht's zurück zu Mozart.

Aber Astrid Hofmann, Liebmann und Jonas Hofmann variieren auch geschickt: Dann gibt der Bass das Riff vor, oder die Pianistin beginnt schon mit leicht veränderter Melodie. Und, was besonders effektiv ist: Die Musiker reißen ein Thema auseinander und geben ihm so einen ganz anderen Puls. In einem langsamen Satz aus einem der Klavierkonzerte gelingt diesem Trio ein kleines Wunder: Mozart klingt plötzlich so kontemplativ und minimalistisch wie Eric Satie.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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