Starnberg:Gefühlvolle Reise

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Follonier und Schöne gehen mit Schuberts Liedern sensibel um

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Studiert man zuvor seine Vita, in der viel von Opernpartien die Rede ist, überrascht der Bariton Peter Schöne als Liedsänger mit einer überzeugend schlanken Stimmführung und maßvoll emotionalen Gestaltung. Der ausverkaufte Starnberger Kulturbahnhof am See bietet mit kompakter Form und überschaubarer Größe das ideale Format für einen Liederabend, besonders wenn zur Begleitung ein historisches Hammerclavier dient. Die Schweizer Pianistin und Pädagogin an der Starnberger Musikschule, Lauriane Follonier, spielte einen mehr als 200 Jahre alten Hammerflügel aus der Münsteraner Werkstatt von Melchior Guante, der mit den Möglichkeiten der Dämpfungsaufhebung und des Moderators als zusätzliche Dämpfung drei unterschiedliche Klangvarianten ermöglicht. So entsprach das Instrument weitgehend der Originalästhetik aus Schuberts Zeit. Sein Liederzyklus "Die Winterreise" bietet auch den geeigneten Stoff, farblich entsprechend zu differenzieren.

Dass am Schluss ein Sturm der lang anhaltenden frenetischen Ovationen aufbrauste, lag aber vor allem daran, dass sich das überaus homogene Duo im Griff hatte und sich nicht von den vielen starken Worten im Text dazu verführen ließ, die Emotionen allzu pathetisch aufzublähen. Es war ein sensibler Liederabend, in dem das reiche harmonische und inhaltliche Geschehen der Musik in sensiblen, feinsinnigen Schritten changierte. Selbst in so erregten Liedern, wie dem in dichter Textur begleiteten "Erstarrung" oder dem virtuos galoppierenden "Stürmischen Morgen", vermochte Schöne die Rastlosigkeit mit reduzierten Gesten zu vermitteln, auch wenn man die volle Substanz seiner großen Stimme gelegentlich schon erahnen konnte.

Eine große Leistung vollbrachte das Duo auf dieser Winterreise damit, die ruhig sinnierenden Lieder mit fesselnder Erzählkunst und sorgfältig abgestimmten Details in voller Spannung zu halten. Etwa gleich zu Beginn im verhaltenen "Gute Nacht", getragen in "Der greise Kopf" oder im traurig-sakralen "Das Wirtshaus". Der Dunkelheit der Lieder Schuberts begegneten Schöne und Follonier mit einfühlsamer Modellierung. Umso effektvoller leuchteten daraus die wenigen lyrisch-heiteren Lieder und Passagen hervor. "Der Lindenbaum" bezauberte mit zarter Melancholie, anrührend schönfarbig schmeichelte der "Frühlingstraum", heitere Leichtigkeit kontrastierte in "Die Post". Das Duo konnte trotz dramaturgischer Zurückhaltung den großen emotionalen Bogen spannen, der im mysteriösen "Der Leiermann" bis zum letzten Ton auf überflüssige Effekte verzichtete.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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