Starnberg:Furchtlos in die Sperrzone

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Beim Filmgespräch in Starnberg erzählt die Schauspielerin Rosalie Thomass, wieso sie keine Angst hatte, in der Sperrzone am Atomreaktor zu drehen. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Schauspielerin Rosalie Thomass berichtet beim Filmgespräch in Starnberg von ihren Erfahrungen bei den Dreharbeiten in Fukushima

Von Blanche Mamer, Starnberg

Nein, Angst hatte sie erstaunlich wenig. Das sagt die Schauspielerin Rosalie Thomass am Donnerstag in Starnberg bei der Premiere des Films "Grüße aus Fukushima" von Doris Dörrie. Sie habe sich gut informiert, habe mit Strahlenexperten gesprochen, auch mit Ärzten, und sei ganz entspannt nach Japan und in die Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk in Fukushima gereist. Man habe ihr versichert, dass die Strahlenbelastung in der Luft nicht höher sei als in München, die schweren Stoffe seien im Boden, sie müsse nichts befürchten, solange sie nicht in der Erde wühle, wie ein Wildschwein. "Und das tue ich ja sonst auch nicht", sagt die 28-Jährige und lächelt leicht spöttisch.

Es war Doris Dörrie wichtig, am Originalschauplatz zu drehen, erklärt sie später im Filmgespräch. Allerdings ist das Haus dekontaminiert worden. Es liegt elf Kilometer vom Atomreaktor entfernt. Die kaputte Einrichtung wurde nachgebaut und mit Staub aus Tokio künstlich verschmutzt, bevor die japanische Schauspielerin Kaori Momoi als Geisha Satomi und sie selbst als Marie den Dreck wegräumten und den Boden schrubbten, erzählt sie dem Publikum im vollbesetzten Starnberger Breitwand-Kino. Ihr Wohnort, eine hässliche Containeranlage, war 25 Kilometer entfernt. "Das hat mich nicht gestört. Ich habe die Fähigkeit, es mir überall schön zu machen", sagt sie. Zudem hätten die Geigerzähler, ein billiger russischer, genauso geringe Werte angezeigt wie der sehr teure deutsche. Was Thomass dann doch geschockt hat, sind die Millionen Sandsäcke mit kontaminierter Erde, die sie gesehen hatte. "Und nichts passiert. Erst dort habe ich gemerkt, wie leidenschaftlich wir Deutschen aufbegehren, welche Revolutionäre wir sind."

Rosalie Thomass erwartet im Sommer ihr erstes Kind, "Fukushima" war ihr letzter Film vor der Babypause. Es ist indes schwer zu glauben, dass sie sich vor einem Jahr ganz ohne Bedenken für sechs Wochen in die Sperrzone einer Atomkatastrophe begeben hat. Familie und Freunde waren nicht begeistert, berichtet sie. "Meine Mutter wollte es mir verbieten, meine Freundin sagte: Das ist doch kein Film wert, dass du Verstrahlung riskierst. " Sie habe das schon ernst genommen, doch die Experten hätten ihr jede Furcht genommen. "Es ist tatsächlich eine Frage der Information. Ich bin sehr unerschrocken und lebensfroh und mache mir grundsätzlich wenig Sorgen", betont sie. Angst vor späteren Schäden? Da schaut sie ziemlich verständnislos. Welche Schäden?

Die Sperrzone ist nach knapp vier Jahren im Januar 2015 freigegeben worden. In dem Gebiet kann aber für viele Jahrzehnte nichts angebaut werden, es gibt also keine Lebensgrundlage für die Menschen. Das mit der Strahlung sei "schon gruselig", meint Thomass, da "alle unsere Sinne versagen". Die meist alten Frauen blieben also weiterhin in Notunterkünften, manche zahlten immer noch die Bankschulden für ihre zerstörten Häuser ab. Die Filmfigur Satomi hält es nicht aus und ist in ihr altes Heim zurückgekehrt. Marie, die sich der Organisation "Clowns4Help" angeschlossen hatte und sich als völlig untalentiert erweist, folgt ihr und hilft beim Aufräumen. Sie lernt dabei so einfache Sachen wie, den Boden richtig zu fegen, ordentlich zu sitzen und Tee zuzubereiten. Der "Elefant", wie die hochnäsige kleine Japanerin Marie bezeichnet, erweist sich als groß und stark und bald unentbehrlich.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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