Starnberg:Fröhliche Selbstausbeutung

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Der gebürtige Stuttgarter Sebastian Goy, 72, ist Schriftsteller und Hörspielautor. Er lebt seit 1991 in Dießen. (Foto: privat)

Wie es dem Autor Sebastian Goy gelingt, seine spannende Reihe "Letzte Montage" am Laufen zu halten

Von Sebastian Goy

Der zahlende Besucher, der ins Konzert geht, das Kinofestival besucht oder das Museum, will ein Ergebnis sehen. Zu Recht. Wie viel Arbeit dahintersteckt, bis das Konzept einer Jazz- oder Klassikreihe steht, die Rockband den Auftritt zusagt und das erste Bild einer Ausstellung am Nagel hängt, interessiert ihn in dem Moment nicht. Dabei ist auch das ein Kunststück: Festivals, Musik- und Theaterreihen trotz geringer Zuschüsse über Jahre am Laufen zu halten. In der SZ-Serie "Kulturmacher" schreiben Veranstalter, wie ihnen das gelingt und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.

Der Flaneur ist für gewöhnlich in urbanen Gefilden unterwegs. Warum wird er dann immer wieder in einem kleinen Ort wie Dießen gesichtet? Weil dieser nie von bäuerlicher Lebensart, eher vom Kloster geprägt wurde? Von Fischern, Beamten, Verwaltung und Handwerkern? Am ehesten wohl, weil sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts viele Künstler niederließen, deren Zuzug bis heute nicht abbrach, und in deren Folge das Kunsthandwerk aufblühte. Weil dies alles eine Melange schuf, die dem dem heimischen Boden entferntesten Körperteil Durchlüftung und dem Flaneur Atemluft bot. Ein wenig beizutragen, die Ortsidentität in diesem Sinne zu stärken, könnte der Sinn der "Letzten Montage" sein.

Als 2004 Künstler und Kunsthandwerker sich im alten Krankenhaus zusammenfanden, um dort einige Jahre als "K7" zu firmieren, kam die Idee auf, deren Aktivitäten zu unterstützen. Und schon war "Goys Letzte Montage" geboren. Eine Veranstaltungsreihe, die bis 2007 dort zuhause war. Von 2008 an ging es im damaligen kult.café weiter. 2011 folgte der Umzug in den Maurerhansl, wo auch heute noch jeweils am letzten Montag eines Monats die "Letzten Montage" über die Bühne geht. Irgendwann unter das Dach des Dießener Heimatvereins geraten, erhielt sich die Reihe ihre Unabhängigkeit. Wie eh und je finden Lesungen, Konzerte, Gespräche, Polemiken, Montagen und mehr statt. Das Konzept der Reihe ist ihre Vielseitigkeit, Offenheit, auch Ausgefallenem ein Forum zu bieten, die Chance zu geben, durch verschiedenste Themen flanieren oder tiefer in sie eindringen zu können.

Dem Besucher ist es vergönnt, Autoren, Musiker, Komponisten, Wissenschaftler, Architekten, Journalisten, Lebenskünstler, Maler und Bildhauer, Schauspieler, Fotografen, Regisseure und Kabarettisten zu erleben, zwischen so namhaften tschechischen Schriftstellern wie Daniela Fischerová, Ivan Binar, Josef Hruby zu flanieren, wie den außergewöhnlichen Cartoonisten Rattelschneck und Rudi Hurzelmeier und dem Shakespeare-Auswechsler Kurt Kreiler zu begegnen. Oder die Wellbappn zu erleben. Wie auch Dutzende andere Abende, an denen des öfteren etwas zu "vibrieren" beginnt.

Ende Februar geht es - nach Robert Hültner und seinen Inspektor-Kajetan-Romanen - mit Yorck Kronenberg weiter, der nicht nur Autor, sondern auch preisgekrönter Komponist und Pianist ist ( Internationaler J. S. Bach-Preis) und aus seinem neuen Roman "Tage der Nacht" liest. In der Karwoche lässt Dr. Christine Wyrwa uns einen Oster-Spaziergang durch Geschichten und Legenden des Pontius Pilatus miterleben. Im April steht das Streicher-Projekt des Jazzposaunisten Mathias Götz ins Haus, bei dem sich Spitzenmusiker mit ihm treffen: Maria Hafner und Evi Kegelmeier von Zwirbeldirn, Andreas Höricht vom Modern String Quartet, Micha Acher und Andy Haberl von The Notwist. Im Mai dann bietet uns Anton G. Leitner die Vorpremiere seines Buches und Bayerischen Verskabaretts "Schnabelgwax" an.

Was noch zu erwähnen ist? Ach ja, wie man es schafft, finanziell einigermaßen über die Runden zu kommen? Indem man selbst kein Kostenfaktor ist, sich fröhlich selbst ausbeutet, alles auf ehrenamtlicher Basis betreibt und der gelungene Abend dann der Lohn ist. Ach ja, und wie es gelingt, auch hochrangige Künstler zu verpflichten? Indem die potentiell Auftretenden auf Anhieb vom bisherigen Pro- gramm überzeugt sind. Indem überraschende Anrufe von überraschend guten Leuten kommen, die auftreten wollen. Indem kompetente Bekannte zuverlässige Tipps geben. Indem ich mich bemühe, die nicht so üppigen Gagen auch nicht zu ärmlich ausfallen zu lassen.

Indem der Maurerhansl als Ort kultureller Veranstaltungen Anziehungskraft hat, ( übrigens auch als Ort von Vorpremieren hochkarätiger Leute oder Ensembles, wie zum Beispiel der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, die zu Dieter Hildebrandts und Sammy Drechsels Zeiten eines ihrer neuen Programme hier testete.) Indem im Laufe der Zeit sich ein Stammpublikum gebildet hat. Indem der Heimatverein sich als Ermöglicher kultureller Umtriebe begreift und bei einer größeren Finanzierungslücke einspringen würde, was aber bis heute noch nicht nötig war. Indem die Reihe einen Publikumszuspruch hat, der die Kostendeckung durch Eintrittsgelder weitgehend ermöglicht. Und nicht zuletzt dadurch, dass der Besitzer des Maurerhansl bei kulturellen Veranstaltungen sich äußerst großzügig zeigt.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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