Starnberg:Festival der jungen Wilden

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Vorher Folie, jetzt Abendkleid: Models zeigen in einer Modenschau auf dem Starnberger Wertstoffhof schicke Recycling-Kollektionen. (Foto: Sophie Kellner)

Mode auf dem Wertstoffhof und Soul im Asylbewerberheim: Die "Juni-Spiele schön jung" bieten Programm für die Jugend

Von Gerhard Summer, Starnberg

"Jung & Naiv" ist eine Interviewreihe, "Jung & Schön" ein Drama von François Ozon, "Reich und schön" eine amerikanische Soap. Aber "schön jung"? Die Starnbergerin Elisabeth Carr, die raumgreifendste unter den Kulturmanagern des Fünfseenlands, hat ihr neues Festival so genannt. Und das Programm dieser Juni-Spiele zum zehnjährigen Bestehen ihrer Reihe Kunsträume, das auch gut ins Konzept von Städten wie Berlin oder München passen würde, ist wohltuend neben der Spur und bringt ungewöhnliche Begegnungen in einer sonst von Soirees und gediegener Kultur geprägten Gegend: Junge Künstler spielen an ausgefallenen Orten für ein junges Publikum.

Carr hat bisher schon private Salons, einen Teppichladen, ein Modehaus und einen Katastrophenschutzraum in Bühnen verwandelt. Ihr Ziel: Musiker oder Autoren sollen auf Augenhöhe mit dem Publikum sitzen. Diesmal ist ihre Wahl auf eine Werkstatt von Schloss Kempfenhausen, ein Asylbewerberheim oder auch den bewährten historischen Wartesaal des Seebahnhofs Starnberg gefallen. Dort treffen dann vom 5. Juni bis zum 4. Juli Tanz und Choreografie, Lyrik, Videoinstallation und Musik aufeinander. Es gibt eine Performance zu Wolfgang Herrndorfs Jugendroman "Tschick" und eine Modenschau auf dem Wertstoffhof. Klingt ausgeflippt und risikofreudig, und genau das ist das Reizvolle an den "Junispielen schön jung".

Der Auftakt am Freitag, 5. Juni, im Tutzinger Keller (20 Uhr) ist einem ganz besonderen Duo gewidmet: Wally und Ami Warning, Vater und Tochter, zwei Generationen im Konzert sozusagen. Der von den niederländischen Antillen stammende Studiomusiker, Reggae- und Latin-Spezialist hatte 2007 mit "No Monkey" einen Sommerhit. Danach ist er ein wenig in der Versenkung verschwunden. Doch seitdem Ami als Shooting-Star des Soul gilt, ist auch Wally wieder gefragt. In der Tutzinger Kneipe spielen die beiden ihre minimalistischen Songs zwischen Blues, Soul und Reggae: ruhige, oft fast meditative Musik, die nie auf Hochglanz getrimmt ist, manchmal an Tracy Chapman oder Sade erinnert und von der unglaublich dunklen, warmen und heiseren Stimme der 19-Jährigen geprägt ist.

Das Kollektiv "Institut für Stadterkundung" könnte im Grunde von Elisabeth Carr gegründet sein. Denn auch die Wiener rücken gern die Ränder in den Mittelpunkt und erkunden schwer zugängliche und verfallene Orte, wie sie auch die Starnberger Sozialpädagogin und Gestalttherapeutin faszinieren: verlassene Fabriken, Dachböden, Tunnel. In der Werkstatt von Schloss Kempfenhausen zeigen sie Fotos ihrer Expeditionen, dazu liest Clara Holzheimer, Tochter des Schriftstellers Gerd Holzheimer, eigene Texte (6. Juni, 20 Uhr).

Was die Junispiele sonst noch bringen? Ein Benefizkonzert im Asylbewerberheim Mühltal mit Bands wie Disco Patrol und Goldrausch (4. Juli, 20 Uhr), außerdem eine Performance "über den Rausch und die Poesie des Jungseins" mit 13 jungen Tänzerinnen und ihrer Leiterin Katja Böhm, Lehrerin am Gymnasium Starnberg (20. Juni, Kreissparkasse Starnberg, 21 Uhr). Und natürlich die Modenschau vor Containern und Abfallhalden auf dem Wertstoffhof Starnberg. Junge Eco-Labels kommen mit zehn Models und zeigen Kollektionen aus der Tonne, als da wären: Mode aus Biobaumwolle und recyceltem Polyester. Dazu stehen Vorträge über die Arbeitsbedingungen in asiatischen Textilfabriken, die große Modeketten beliefern, auf dem Programm. Ob auch das Festival ein zweites Leben hat, ist noch ungewiss. Nur wenn die Juni-Spiele ankommen, wird es 2016 eine Fortsetzung geben.

"Juni-Spiele schön jung": 5. Juni bis 4. Juli, Kartenreservierung: kontakt@kunstraeume-am-see.de oder Tel. 08151/559721. Weitere Infos unter www.kunstraeume-am-see.de.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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