Starnberg:Exklusiv, exklusiver, Starnberg

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Wenn die Bautätigkeit nicht deutlich verstärkt wird, fehlen in den nächsten 25 Jahren mehr als 7000 Wohnungen im Landkreis

Von Otto Fritscher, Starnberg

"Handlungsempfehlungen" sieht Konversionsmanagerin Mandy Schwausch in der Studie, die das Beratungsunternehmen Bulwiengesa über die Wohnsituation im Landkreis Starnberg gemacht hat. Doch es sind dicke Dinger, die sich hinter den bunten Säulendiagrammen, Tabellen und Charts verstecken. Denn Marco Tschubel und Felix Embacher sind im Auftrag der Gesellschaft für Wirtschaftsforschung (gfw) ein halbes Jahr lang der Frage nachgegangen, ob "Wohnen im Landkreis Starnberg auch in Zukunft noch möglich ist?"

Eine Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Sicherlich, wer genug Geld oder gar Immobilieneigentum hat, der wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten den Luxus leisten können, im exklusiven Fünfseenland zu wohnen. Doch nicht alle hier gehören zu den Betuchten. Und für Normalverdiener wird es in den kommenden 25 Jahren immer schwieriger werden, im Landkreis eine bezahlbare Mietwohnung zu finden - vom Kauf einer Eigentumswohnung oder dem Bau eines Häuschens ganz zu schweigen. Zwar halten die 63 709 Haushalte im Landkreis Starnberg (Stand 2015) mit einem verfügbaren Einkommen von durchschnittlich gut 32 000 Euro im Jahr bundesweit die Spitzenstellung. Doch es gibt auch 7700 Haushalte im Landkreis, die über weniger als 1600 Euro im Monat verfügen.

Bei der offiziellen Vorstellung der Studie, über die die Starnberger SZ schon berichtet hat, präsentierten Tschubel und Embacher einige Zahlen: So beträgt die durchschnittliche Quadratmetermiete im Landkreis 14,76 Euro. "Wer hier wohnt, der kennt das, aber wer hierher will, der erschrickt", sagte Embacher. Menschen mit normalem Einkommen könnten sich keinen angemessenen Wohnraum mehr leisten, weil sie dann oft 40 Prozent und mehr ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssten. Embacher hält 25 bis 30 Prozent für vertretbar. Und die Situation werde durch die anerkannten Flüchtlinge, die in absehbarer Zeit eine billige Wohnung brauchen, noch verschärft. "Die Wartelisten für Sozialwohnungen werden immer länger werden", prophezeit Embacher. Dazu kommt, dass die Zahl der Menschen, die eine Ein- oder Zweizimmer-Wohnung suchen steigt, während die Zahl der Interessenten für Vierzimmerwohnungen sinkt.

Die Immobilien-Experten empfehlen den Kommunalpolitikern ein Umsteuern: "Es braucht mehr Geschosswohnungsbau und weniger Ein- und Zweifamilienhäuser", sagt Embacher. Denn anders könnten die relativ kleinen Wohnungen nicht untergebracht werden.

Der Studie ist zu entnehmen, dass in den vergangenen zehn Jahren nicht so viele Wohnungen gebaut worden sind, wie der Markt bräuchte. Embacher und Tschubel haben die Bautätigkeit der vergangenen zehn Jahre im Landkreis untersucht. 1810 Mietwohnungen sind in diesem Zeitraum entstanden, was einen Anteil von 21 Prozent an allen Neubauten bedeutet. 492 Sozialwohnungen waren unter den neu Gebauten, "ein relativ hoher Anteil", wie Regionalmanagerin Katrin Kollmann sagt. Dennoch: "Aus Sicht des sozialen Gefüges geht die Neubautätigkeit am Bedarf vorbei", kritisiert Embacher.

Am wenigsten Wohnungen gebaut wurden im Zeitraum von 2004 bis 2014 in der Gemeinde Krailling: 1,1 Wohneinheiten je 1000 Einwohner. Am fleißigsten war hier die Gemeinde Andechs, in der 4,1 Wohnungen pro 1000 Einwohner gebaut wurden - wohl gemerkt, in den vergangenen zehn Jahren. Ein Grund sind die horrenden Grundstückspreise: Sie haben sich von 2008 bis 2013 mehr als verdoppelt. Ein Quadratmeter Bauland kostet im Landkreis durchschnittlich 557 Euro.

12 400 Wohnungen werden bis zum Jahr 2030 im Landkreis Starnberg neu gebraucht. Wenn man die Bautätigkeit der vergangenen zehn Jahre als Messlatte heranzieht und hochrechnet, ergibt sich ein Fehlbedarf von mehr als 5000 Wohnungen. Schlussfolgerung von Embacher: "Die Gemeinden müssen alle Möglichkeiten für den Wohnungsbau ausschöpfen: die Nachverdichtung in bestehenden Wohngebieten, die Ausweisung von Neubaugebieten, und die Kommunen müssen auch bei der Vergabe von Baurechten neue Wege gehen", fordert Embacher. Womit er meint, dass nicht immer das Grundstück an denjenigen verkauft werden sollte, der den höchsten Preis zahlt, sondern an den Bieter, der das beste sozialverträgliche Konzept vorlegen kann. Das wäre eine Abkehr von der bisherigen Politik des höchstmöglichen Gewinns.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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