Verkehr:Elektroautos bleiben Exoten

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Einrad mit Elektroantrieb: Oliver Weiß, Geschäftsführer von Wunjoo, mit dem neuen Spaßgefährt. Verkehrstauglich ist das rote E-Bike im Retro-Design. (Foto: Nila Thiel)

Die Zahl der E-Mobile steigt im Landkreis nur langsam. Ein Zuschuss kommt für Landrat Roth aber nicht in Frage. Sechs Wohnungen und nur ein Auto: Im kommenden Frühjahr startet in Starnberg das Pilotprojekt "Quartier Sharing"

Von Otto Fritscher, Starnberg

Die Elektromobilität im Landkreis kommt nur langsam voran. Diesen Eindruck kann man nicht nur an der immer noch geringen Zahl von weniger als einem Dutzend öffentlicher Ladestationen festmachen. Auch die Zahl der Elektroautos mit einem STA-Nummernschild steigt eher gemächlich: von rund 102 E-Mobilen Ende 2014 auf 128 im April 2015, jetzt sind es nach Angaben des Landratsamtes immerhin 155 E-Mobile. Diesen steht eine Flotte von mehr als 81 000 Benzinautos gegenüber. Immerhin gibt es aber einige neue Ideen in Sachen Elektromobilität, etwa in der Kreisstadt. "Quartier Sharing" heißt ein Pilotprojekt, das im kommenden April startet. Sechs Wohnungen und deren Bewohner, ein Elektro-Auto und zwei E-Bikes sind der Kern des Vorhabens, das der Starnberger Projektentwickler Jochen Kirschner initiiert hat.

Auf dem Grundstück an der Ludwig-Thoma-Straße 1, unmittelbar hinter dem Bahnhof Nord, ist ein Haus mit sechs Wohnungen entstanden, zwei davon sind schon bezogen. Die Bewohner der sechs Wohnungen sollen möglichst auf eigene Autos verzichten und nötige Fahrten mit dem gemeinsamen Elektroauto erledigen, oder für kürzere Distanzen eines der beiden E-Bikes verwenden, von denen eines ein spezielles Lastenrad für größere Einkäufe ist. Die Benutzung erfolgt jeweils gegen Entgelt. Begleitet wird das Projekt von Oliver Weiß, dem Geschäftsführer von Wunjoo in Starnberg, einem Spezialdienstleister für Elektromobilität.

"Das Mobilitätsverhalten ändert sich, Autos sind für junge Leute in Zukunft nicht mehr so wichtig", so Kirschner. Dann führt er noch einen anderen Grund ins Feld: "Ich möchte gerne die Stellplatzverordnung der Stadt Starnberg aushebeln." Diese verlange für je 40 Quadrater Wohnfläche einen Stellplatz. "Die Idee von Quartier Sharing ist, mehr Lebensraum zu schaffen und dafür auf Parkplätze für Autos zu verzichten", sagt Kirschner. Er hat noch eine ähnliche Vorhaben in Vorbereitung, eines in Percha Nord, eines in der Gemeinde Berg. Ob die Bauverwaltungen mitspielen, ist indes unklar. Quartier Sharing ist aber auch in anderen bayerischen Städten im Gespräch.

Um die Organisation des Projekts kümmert sich Oliver Weiß, der vor drei Jahren an der Münchner Straße in Starnberg mit Geschäft "Elenio" angefangen und es dann in Wunjoo umfirmiert hat. Er bietet den Service für die Gefährte des Pilotprojekts, stellt aber auch die Online-Buchungsplattform bereit. Denn derjenige, der das E-Auto oder ein E-Bike braucht, muss das vorher über das Internet anmelden. Freischalten lässt sich das Auto mit dem Handy, ähnlich wie bei den Carsharing-Systemen in München. Auch die E-Bikes haben einen speziellen Chip implantiert bekommen.

Zurückgestellt hat Weiß die Expansionspläne für sein Unternehmen. Es gibt neben der Keimzelle in Starnberg noch den Wunjoo-Shop am Nordbad in München. "Wir wollen uns auf diese beiden Standorte konzentrieren", sagt Weiß, und dafür gebe es auch einen triftigen Grund: Von April an fördert die Stadt München den Kauf von Elektroautos mit 5000 Euro, für ein E-Bike gibt es einen Zuschuss von immerhin 500 Euro. Allerdings ist das Förderprogramm, das ein Volumen von gut 20 Millionen Euro hat, auf gewerbliche Kunden begrenzt. Also auf Freiberufler, Handwerker oder auch Paketdienste und Radlkuriere. Weiß will Unternehmen bei der Umstellung ihres Fuhrparks auf die E-Mobilität begleiten.

Trotz des Förderprogramms werden E-Autos jedoch Exoten im Straßenbild bleiben. "Das Geld, das die Stadt München zur Verfügung stellt, reicht ja gerade mal für gut 4000 Autos", hat Weiß ausgerechnet. "Aber immerhin ist das Förderprogramm ein Anschub", hofft Weiß. Und er fordert den Landkreis Starnberg auf, ebenfalls Kaufanreize für E-Mobile zu schaffen. "Wenn man die Elektromobilität fördern will, dann darf man nicht nur reden."

Mit seiner Forderung stößt Weiß bei Landrat Karl Roth indes auf taube Ohren. "Von einem Zuschuss für den Kauf von Elektroautos halte ich wenig. Das ist keine Aufgabe des Landkreises", sagte Roth zur SZ. Der Landrat gibt zwar zu, dass die Elektromobilität angesichts anderer Aufgaben wie der Unterbringung von Flüchtlingen etwas hintan gestellt worden sei, aber nächstes Jahr werde der Landkreis dem Ausbau des Elektrotankstellen-Netzes wieder mehr Augenmerk widmen.

Genau dies, der oft angemahnte Ausbau der Ladeinfrastruktur, steht für Weiß nicht ganz oben auf der Prioritätenliste - im Gegensatz zu vielen anderen Verfechtern der Elektromobilität. Das Argument von Weiß: "Es ist doch häufig so, dass die Reichweite eines Elektroautos für die täglichen Fahrten von 30 bis 50 Kilometer locker reicht, ohne dass man nachladen muss", sagt Weiß. Man könne sein Elektroauto abends dann an der häuslichen Steckdose problemlos wieder auftanken. Für die Verfechter der E-Mobilität im Landkreis, die sich im eStart-Projekt unter der Federführung von Verkehrsmanagerin Susanne Münster zusammengefunden haben, steht indes außer Frage, dass die Zahl der elektrischen Ladestationen im Landkreis deutlich steigen muss. Öffentliche Ladestationen gibt es im Landkreis zurzeit ein knappes Dutzend. "Es ist schon viel Zeit in das eStart-Projekt investiert worden. Jetzt müssen Ergebnisse her", fordert Weiß. Er hält die Einrichtung von E-Car-Sharing-Stationen in den Gemeinden für wichtiger. Und zwar in Kombination mit E-Bikes. Landrat Roth möchte solche Kritik nicht auf sich sitzen lassen. "Wir tun was. Es wird im nächsten Jahr wieder das eStart-Forum und den Mobilitätstag geben."

Die E-Mobilität - eine ernste Angelegenheit also? Nicht immer. Weiß kennt die Nischenprodukte, die Tüftler entwickelt haben. An die Segways, mit denen man lautlos auf zwei Rädern durch die Münchner Innenstadt sausen kann, hat man sich ja schon gewöhnt. Aber ein elektrisch betriebenes Einrad? Auch das gibt es - mit dem kryptischen Namen "Ninebot one". Es sieht aus wie ein zusammengeknautschter Eisstock. Der Fahrer steht auf zwei schmalen Trittbrettern und steuert das Gefährt durch seine Körperbewegungen. Nach vorne gelehnt, gibt der Ninebot Gas, gebremst wird, indem man sich zurücklehnt. Dazu erfordert das Gefährt auch das Gleichgewichtsgefühl, sonst kippt man um. Auf deutschen Straßen ist das Freak-Mobil nicht zugelassen. Das Surfboard mit einem Elektromotor, das es ebenfalls gibt, sorgt dagegen für keine rechtlichen Probleme. "Das ist wie Stehpaddeln, nur ohne Paddel", sagt Weiß und lacht.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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