Starnberg:Einmalig in Bayern

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Die Rechtsaufsicht moniert den Termin, John eröffnet die Sondersitzung trotzdem

Von Peter Haacke, Starnberg

Was ist da bloß los in Starnberg? Das fragen sich nicht allein nur die Starnberger. Die politischen Kapriolen, die sich in schöner Regelmäßigkeit im Stadtrat abspielen, haben mittlerweile Strahlkraft weit über die Landkreisgrenzen hinaus gefunden und sind dazu geeignet, der Stadt am Starnberger See einen höchst zweifelhaften Ruf zu verleihen. Drunter und drüber scheint es im höchsten politischen Gremium der Kreisstadt zu gehen seit Amtsübernahme von Eva John - der ersten Bürgermeisterin in der Geschichte der Stadt ohne politische Mehrheit. Die Liste der Merkwürdigkeiten ist lang: Sitzungen bis in die frühen Morgenstunden, einberufene, abgebrochen und rechtswidrige Sitzungen, unerfüllte und verschleppte Aufträge. Die Stadt ist Dauerkunde bei der Kommunalen Rechtsaufsicht, die Landesanwaltschaft leitete schon im Sommer ein Disziplinarverfahren gegen John ein. Und jetzt das: Der Stadtrat verklagt seine Bürgermeisterin. Der Vorgang - ein weithin sichtbares Zeichen fortschreitender Zerrüttung - dürfte bayernweit einmalig sein.

Symptomatisch für die seit Monaten eskalierende Situation ist die jüngste Veranstaltung des Stadtrats am Freitag zu ungewohnter Zeit an ungewohntem Ort: John lud bereits zum zweiten Mal morgens um 9 Uhr zur Sondersitzung "Verkehr" ein, diesmal in die Musikschule. Die Rechtsaufsicht hatte zwar dringend davon abgeraten, zumal bereits die erste Sitzung in gleicher Sache von der Behörde wegen nicht eingehaltener Ladungsfristen als rechtswidrig eingestuft worden war. Zudem wurde Berufstätigen, die ihr Mandat ehrenamtlich wahrnehmen, die Teilnahme erschwert oder unmöglich gemacht.

Wie zum Trotz eröffnete John die Sitzung dennoch. Das Ergebnis: Nur acht Stadträte aus dem John'schen Unterstützungslager WPS, BMS und FDP hatten sich eingefunden, um alle vorliegenden Anträge abzulehnen oder bestenfalls zur Kenntnis zu nehmen. Die Mehrheit von 21 überwiegend berufstätigen Stadträten aus CSU, UWG, SPD, Grünen, BLS und Parteifreien hatten ihre Teilnahme abgesagt.

Der Unmut über die eigensinnige Bürgermeisterin, die macht was sie will, aber nicht, was sie soll, ist groß. Konsequenz ist die Klage der Stadträte gegen John im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits, zumal das Gebaren der Rathaus-Chefin noch zu einer teuren Angelegenheit für die Stadt werden könnte. Die Deutsche Bahn etwa erwägt eine Schadenersatzklage. Was am Ende vor dem Verwaltungsgericht herauskommen wird, ist ungewiss. Sicher ist nur: Einfach abwählen kann man die Bürgermeisterin nicht. Das ist überall in Deutschland möglich, nicht aber in Bayern und Baden-Württemberg. Und ein Rücktritt Johns ist eher unwahrscheinlich.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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