Starnberg:Ein Pfund für die Eigentherapie

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30-jähriger psychisch Kranker wird wegen Besitzes von 14 Cannabispflanzen verurteilt

Von armin greune, Starnberg

Während bundesweit über die Freigabe von Cannabis für medizinische Anwendungen debattiert wird, musste sich am Donnerstag ein 30-jähriger psychisch Kranker vor dem Starnberger Schöffengericht verantworten, weil er 14 Marihuanapflanzen gezogen hat - nach eigenen Angaben für Eigenbedarf und -therapie. Bei ihm waren im Januar Hanfstauden mit 400 Gramm Trockengewicht sowie 43 Gramm konsumfähiges Marihuana entdeckt worden. Normalerweise ist der "unerlaubte Besitz einer nicht geringen Menge" von Betäubungsmitteln ein Verbrechenstatbestand, der mit Freiheitsstrafe von einem bis 15 Jahren geahndet wird.

Die Verteidigerin führte allerdings aus, dass dieser Vorwurf mit der Annahme verbunden sei, dass der Beschuldigte die große Drogenmenge teilweise verkaufen will. Doch auch die Vorsitzende Richterin Brigitte Braun fand es "in diesem Fall recht unwahrscheinlich, dass er das Marihuana in Verkehr bringen wollte". Denn der Angeklagte traut sich wegen seiner Phobien kaum, das Haus zu verlassen - was auch ein Grund dafür war, dass er seinen Konsum in den eigenen vier Wänden decken wollte. Obwohl das Gericht auf minderschweren Fall entschied, verhängte es eine einjährige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Als Auflagen wurden die Zahlung von 240 Euro, der Nachweis der Enthaltsamkeit mittels vierteljährlichen Drogenscreenings und monatliche Gespräche beim Psychiater festgelegt.

Der Angeklagte - der seit seiner Jugend wegen seiner Soziophobie und Depressionen drei Mal in Kliniken eingewiesen wurde und sich auch freiwillig dort aufhielt - hatte ausgesagt, dass Cannabis auf ihn stimmungsaufhellend und angstlindernd wirke. Die Umstände seiner Verhaftung lassen freilich Zweifel aufkommen, ob die Droge ihn psychisch stabilisiert. Die Polizei war von beunruhigten Nachbarn alarmiert worden: Sie hätten Selbstmordabsichten befürchtet, weil der Angeklagte "auf dem Dach umeinandergeschrien hat", sagte ein 31-jähriger Beamter aus. Der Beschuldigte aber erklärte, er habe aus dem Fenster gerufen, um die Nachbarn vor einer "komischen Sache im Internet" zu warnen. Aufs Dach sei er erst geflüchtet, wie er das Polizeiaufgebot vor dem Haus bemerkt habe.

Als er die Polizisten dann doch in die Wohnung ließ, bemerkten sie Cannabisgeruch. Eine Hausdurchsuchung förderte eine handelsübliche Aufzuchtanlage in einem Schrank und das Marihuana zu Tage. Weil der 30-Jährige "passiv Widerstand" geleistet habe, sei er in Handschellen abgeführt worden, der Vernichtung der Anlage habe er allerdings zugestimmt, sagte der Polizist. Ein Gutachter berichtete, bei dem 30-Jährigen sei vor neun Jahren eine psychische Erkrankung festgestellt worden, zu der vier verschiedene Diagnosen vorlägen. Das auffällige Verhalten, das zur Verhaftung führte, wäre mit einem psychotischem Schub zu erklären, den ein Entzug nach langem Cannabismissbrauch auslösen könnte. Der stünde zwar "in gewissem Zusammenhang mit den Taten", könne aber nicht strafmildernd wirken, weil die monatelange Aufzucht der Hanfpflanzen planmäßiges Vorgehen voraussetzt, fand der Gerichtsmediziner.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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