Starnberg:Effektvoll

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Wie die Kommandozentrale eines Raumschiffs nimmt sich die Orgel aus, mit der Claudia Hirschfeld die Sopranistin Eva Lind begleitet. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Starsopranistin Eva Lind, die German Tenors und der Orchester-Ersatz Claudia Hirschfeld bieten anspruchsvolle Unterhaltung in Starnberg

Von Reinhard Palmer, Starnberg

WERSI Louvre GS1000 - wer dabei an eine röhrende Rennmaschine denkt, liegt nicht unbedingt falsch. Dieses heiße Gerät geht aber anders ab - ohne sich von der Stelle zu rühren. Auf der Bühne der Starnberger Schlossberghalle machte es sich mit seinen vielen Tasten und Pedalen durchaus imposant.

Schließlich hat diese dreimanualige elektronische Orgel mit dem vollem Pedalumfang einer Kirchenorgel auch mächtig was drauf. "Open Art Orchester" nennt die virtuose, wenn auch etwas unpräzise Tastenmagierin Claudia Hirschfeld deshalb das Instrument, mit dem sie schon vielen Sängern, Instrumentalsolisten und Chören einen Orchesterersatz bot. Jede gewünschte und programmierbare Instrumentierung ist darauf zu realisieren, was die Eintrittspreise reduzieren hilft. Eine günstige Alternative, sofern man den Unterschied zum echten 60-köpfigen Orchester mit seiner sinnlichen Klangdynamik nicht hört. Wer sich allerdings auf "Sternstunden - Die schönsten Melodien aus Klassik, Oper und Operette" einlässt, erwartet wohl eher einen unterhaltsamen Abend zum Mitsummen und Mitklatschen. Und den gab es hier in der anspruchsvolleren Variante.

Schließlich standen die Sänger im Mittelpunkt der Vorstellung, zu der sich die Schlossberghalle fast zur erstaunlichen Hälfte füllte. Stargast Eva Lind hat eine imposante Vita vorzuweisen, bis hin zu Duettpartnern wie Pavarotti, Domingo und Carreras. Da die Schlossberghalle nicht die Akustik eines Opernhauses hat, machte sich ihr Stimmvolumen etwas klein. Doch Linds enorme Gesangstechnik und ihr musikalisches Einfühlungsvermögen überzeugten vom ersten Ton an. Aus Puccinis "Gianni Schicchi" hatte sie für ihren großen ersten Auftritt "O mio babbino caro" ausgewählt. Sie präsentierte sich dabei als lyrische Sopranistin von berührender Ausdruckskraft - und blieb das sogar noch in den Koloraturen des Frühlingsstimmen-Walzers von Johann Strauss Sohn.

Die Sensibilität ihrer der Interpretationsweise fiel so deutlich auf, weil die German Tenors - Johannes Groß und der Kubaner Luis del Río - weit mehr Power in ihre Stimmen zu setzen vermochten. Vor allem Groß, der sich mit seinem baritonalen Timbre wandlungsfähig zwischen dramatischer und lyrischer Charakteristik zeigte. Die richtige Färbung, um ein mitreißendes "Nessun dorma" aus Puccinis "Turandot" mit dem nötigen Schmalz zu schmettern. Del Río gehörte im Duett der weichere Part, den er mit Lehárs romantischem Wolga-Lied solistisch vorstellte. Seine Artikulation in Deutsch erwies sich als etwas nachlässig, Agustin Laras "Granada" erklang klarer in der Diktion, gab del Río aber auch die Gelegenheit, Leidenschaft und Temperament zu zeigen. Eigenschaften, die Groß allem voranstellt und die ihn zum spaßigen Entertainer und Anekdotenerzähler avancieren ließen.

Einen schönen Klangmix bot das Trio in gemeinsamen Einsätzen. So wurde Verdis Trinklied aus "La Traviata" zu einem effektvollen Reißer. Was wohl als Steigerung gedacht war, galt leider nur hinsichtlich der Popularität des Repertoires. So stand ein Medley der Melodien Benatzkys aus "Im weißen Rössl" am Höhepunkt des Abends, um mit Lehárs "Dein ist mein ganzes Herz" einen Gassenhauer der leichten Muse nachzusetzen. Der zweite Teil, den Hirschfeld mit Disco-Versionen von Bachs Toccata und Beethovens "Ode an die Freude" zweifelhaft anreicherte, verlor inhaltlich an Niveau, konnte aber mit den Canzonen "O sole mio" und "Funiculi, funicula" in den umjubelten Zugaben etwas an Anspruch zurückgewinnen.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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