Starnberg/Dinard:Freunde fürs Leben

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Zwischen den Starnbergern und den Bürgern der bretonischen Partnerstadt Dinard sind mit den Jahrzehnten anrührend feste Bande entstanden. Ein wenig Sorge treibt aber beide Seiten um: die Nachwuchsfrage

Von Astrid Becker, Starnberg/Dinard

Es ist eine Szene, die mitten ins Herz trifft: Als Thomas Mittermeier kurz vor dem Freundschaftsabend im Sportzentrum von Dinard Charles Boivin erblickt, schießen ihm die Tränen in die Augen. Dann schließt er den Freund aus Frankreich fest in die Arme. Es ist ein Moment, in dem man zur Seite tritt, Abstand hält und die beiden Menschen ihrer Rührung, ihrer Wiedersehensfreude und vielleicht auch einer gewissen Wehmut überlässt, die ihren Ursprung in der Vergangenheit hat.

In gewisser Weise steht die Nähe der beiden Männer stellvertretend für die Freundschaft der beiden Städte und ihrer Bewohner. Denn, was sich anderenorts allenfalls noch in einem Austausch der Verwaltung oder gar nur mehr in einem Hinweisschild auf eine Partnerschaft am Ortseingang niederschlägt, wird zwischen Starnberg und Dinard noch gelebt. Tatsächlich sind über die 38 Jahre, die diese "Jumelage", wie Städtepartnerschaft auf Französisch heißt, bereits besteht, enge Bande entstanden.

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(Foto: Astrid Becker)

Sinnliche Tänze stehen auf dem Programm.

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(Foto: Astrid Becker)

Auch Mont Saint Michel.

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(Foto: Astrid Becker)

Dinard-Reise: Die Partner-Bürgermeisterinnen Martina Craveia (li.)und Eva John.

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Heribert Thallmair genießt die Dinard-Reise.

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(Foto: Astrid Becker)

Sinnliche Tänze, die Zweite.

Dabei waren die Anfänge alles andere als einfach. Da gab es einerseits Menschen wie den früheren Starnberger Bürgermeister Heribert Thalmeier, die hinter der Gründung dieser Partnerschaft standen und mit Freude nach Dinard reisten. Aber andererseits gab es dort auch diejenigen, die dem deutschen Erbfeind nicht verzeihen wollten - und die Fensterläden zuklappten, wenn dieser sich in den Straßen Dinards blicken ließ. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Die Verbundenheit ist groß - und das mag auch an den gemeinsamen Erlebnissen liegen, wie der deutsch-französischen Radltour.

1300 Kilometer hat Thomas Mittermeier gerade strampelnd zurückgelegt - in Starnberg hatte er sich zusammen mit Daniel Leppin auf den Sattel seines Rennrades geschwungen und die gesamte Strecke nach Dinard, der französischen Partnerstadt in der Bretagne, in acht Tagen hinter sich gebracht. Früher, aber das ist bereits einige Jahre her, hat Mittermeier die Strecke auch mit Charles Boivin bewältigt. Denn letztlich waren es die radelnden Männer vom Velo-Club in Dinard, die diese Fahrt erfunden haben. Auch wenn die Idee dazu auf einen anderen Mann zurückgeht: 1985 ist der mittlerweile gestorbene Francois Guguen zum ersten Mal nach Starnberg geradelt - allein. Und wurde nach seiner Ankunft am See sofort groß gefeiert und auf den Namen "Franz der Bayer" getauft.

Verbundenheit: Hedwig Wasmer war schon oft in Dinard. (Foto: Astrid Becker)

Ein Jahr später kam Charles Boivin vom Fahrradverein dazu. Gemeinsam rekrutierten die beiden französischen Radfreunde noch weitere Mitstreiter, die sie immer wieder auf ihrer Fahrt an den Starnberger See begleiteten. Dort gilt mittlerweile Boivin als derjenige, der mit seiner Beharrlichkeit die Tour durch Frankreich und Deutschland in eine Tradition verwandelt hat.

Auch für Thomas Mittermeier scheint er so etwas wie der König aller Radler zu sein und ein Mensch, den er in seinem Leben nicht missen möchte. Kennengelernt hat er ihn schon 2002. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft hatte Mittermeier von der Radltour erfahren und beschlossen, die Franzosen auf ihrer Fahrt nach Starnberg zu begleiten. Gekannt hatte er die französischen Sportler aber vorher nicht. Eine Freundschaft mit ihnen habe sich aber sofort entwickelt, sagt er: " Von Anfang an." Überhaupt erzählen viele der etwa 80 Starnberger sehr viel von ihren Freundschaften mit den Menschen aus der bretonischen Stadt.

Ein Teil von ihnen ist diesmal zum ersten Mal mit dem Flugzeug nach Frankreich gekommen. Der Großteil jedoch hat nach wie vor die Reise im Bus auf sich genommen. Eineinhalb Tage dauert so eine Fahrt, beschwerlich und anstrengend ist das schon, vor allem, weil die meisten der Mitglieder des Vereins "Freunde von Dinard" nicht mehr ganz blutjung sind. Da ist beispielsweise Hedwig Wasmer. Und wer der liebenswürdigen und erstaunlich rüstigen 80-Jährigen zuhört, entdeckt in ihren Erzählungen sofort Gemeinsamkeiten mit denen von Mittermeier. Auch sie berichtet von der Herzlichkeit und der Gastfreundschaft, die ihr in Frankreich zuteil geworden sei. Zum Beispiel 1985, als sie zum ersten Mal mit ihrem mittlerweile gestorbenen Ehemann Thomas und einem befreundeten Ehepaar mit dem Auto nach Dinard gereist sei. Im Hotel Balmoral hätten sie damals gewohnt und den Wagen genau gegenüber geparkt, sagt sie. Als sie eines Tages vom Strand kamen, hatte ein anderes Auto sie zugeparkt. Eine Dame sei darin gesessen und habe ganz wild gestikuliert, sagt Wasmer. Deren Begleiter sei dann aus dem Hotel gekommen und habe dort gefragt, wem denn die Starnberger Autonummer gehöre. Denn er wolle sie gern zum Essen einladen: "Wir haben uns nicht gekannt. So eine Gastfreundschaft", sagt Wasmer. "Auf so eine Idee wären wir hier ja nie gekommen, wildfremde Menschen einzuladen. Da konnten wir viel lernen", erzählt sie. Aus dieser ersten Begegnung entstand eine tiefe und langjährige Freundschaft - wie zwischen Barbara Kilian aus Perchting und Jacqueline Baudinet, die sich auch sehr nahe stehen, wie immer wieder zu spüren ist.

Freundschaft: Thomas Mittermeier und Charles Boivin (re.). (Foto: Astrid Becker)

Baudinet spricht perfekt Deutsch, die Verständigung mit ihr ist einfach. Das ist jedoch nicht immer so, wie der neue Vorsitzende der "Les Amis de Starnberg" in Dinard, Dominique Ledez, einräumt: "Bei uns sprechen noch viel zu wenige Deutsch. Da muss noch viel geschehen." Doch ganz einfach wird das in der Zukunft aber nicht: Frankreich will offenbar Deutsch als Schulfach abschaffen. Daher fürchtet Ledez auch ein wenig um die Zukunft der Partnerschaft - zumal viele junge Dinarder die Stadt verließen, wie er sagt, um anderswo zu studieren oder eine Arbeit zu finden. Nachwuchssorgen plagen wohl auch die Starnberger. Bürgermeisterin Eva John kündigte daher bereits an, gerade in den Vereinen auf mehr Austausch mit den französischen Freunden zu drängen. Von Theatergruppen ist die Rede, von Musikern, aber auch von Wassersportlern und Schachspielern. Weil gemeinsame Erlebnisse nun mal eben verbinden. Wie sehr, das haben Thomas Mittermeier und Charles Boivin ja längst bewiesen.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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