Starnberg:Die Arroganz des Autors

Lesezeit: 2 min

Der Gewinnerfilm von Mariano Cohn und Gastón Duprat

"Ich habe den Film in Venedig gesehen und wusste, dass ich ihn haben wollte", sagt Festivalchef Matthias Helwig. Er hat ihn bekommen - und "Der Nobelpreisträger" wurde zum Publikumsfilm gekürt. Es sei der einzige Film gewesen, der von allen Zuschauern als sehr gut bewertet worden sei. Auch wenn andere Filme, wie "Maudie" beispielsweise, ein weit größeres Publikum anlockten, seien die Bewertungen nie so eindeutig gewesen, erklärt Helwig.

Das Publikum in der voll besetzten Schlossberghalle ist somit sehr gespannt. Die meisten Zuschauen waren bereits bei der Eröffnung dabei, haben "Maudie" gesehen und sind dem leisen Charme der Protagonistin verfallen. Das ist jetzt nicht der Fall: Der Schriftsteller Daniel Mantovani (Oscar Martinez) tritt arrogant, selbstgefällig und besserwisserisch auf, er düpiert gleich zu Beginn das Nobelpreis-Komitee und hat keinen Respekt vor Königin und König, als er die Ehrung entgegennimmt. Sein Ruhm in Europa basiert auf seinen Romanen und Erzählungen, die er aus den Geschichten seiner Kindheit und Jugend in der argentinischen Provinz, dem Städtchen Salas, entwickelt.

Nun, nach 40 Jahren, lädt der Bürgermeister seiner Heimatstadt den frisch gekürten Literatur-Nobelpreisträger ein, der wider Erwarten annimmt. Er will allein reisen, ohne Presse, ohne Ankündigung. So hat er es angeordnet, doch bald schon entgleitet ihm das Unternehmen, schon im Flugzeug wird er vom Kapitän offiziell begrüßt. Eine Autopanne im Nirgendwo zeigt ihm, dass er trotz seiner Berühmtheit abhängig ist vom Wohlwollen seiner Mitmenschen. Die Ernennung zum Ehrenbürger und das Geleit durch die Stadt hoch oben auf dem Feuerwehrwagen nimmt er wohlwollend hin. Wie sagt doch der Bürgermeister stolz: Wir haben Papst Franziskus, Lionel Messi und Königin Maxima der Niederlande. Und nun auch den Nobelpreisträger.

Zunächst gibt dieser sich jovial, doch die Fassade bröckelt, bei seiner Assistentin mokiert er sich über alle und alles. Einen Bittsteller, der einen Elektro-Rollstuhl für seinen schwer behinderten Sohn wünscht, kanzelt er ab. Er sei nicht die Wohlfahrt oder das Rote Kreuz. Seine erste Liebe stößt er ebenfalls vor den Kopf. Und einen Dorfbewohner, der meint, in einer Geschichte den eigenen Vater erkannt zu haben und ihn zum Abendessen einlädt, schickt er unhöflich weg. Das sei alles nur eine Geschichte, Fiktion, nicht das wahre Leben, betont er mehrmals. Allerdings: Kaum ist er wieder daheim in Europa, verwendet er seine Erlebnisse in Salas für eine neue Erzählung. Der Mann ist nicht gerade sympathisch, und fast gönnt man ihm, dass die Bewunderung in Neid und Missgunst umschlagen und er ziemlich blauäugig in eine Falle tappt.

Im Grunde ist es ein düsterer Film, auch wenn er etliche komödiantische Momente hat. Er sagt viel aus über die politischen Zustände in Argentinien, und zeigt in der Figur des Auswanderers nach Europa die Kluft zwischen den Kulturen. Der Film kommt am 2. November ins Kino.

© SZ vom 07.08.2017 / bla - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: