Starnberg:Der Wahrheit verpflichtet

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Munteres Wahlspektakel ohne tieferen Sinn: Ende Februar hatte die WPS zum "symbolischen Spatenstich" eingeladen, die "Abendschau" berichtete. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wenige Tage vor den Neuwahlen zum Starnberger Stadtrat verwahren sich Staatliches Bauamt und CSU gegen Anschuldigungen der WPS, die einen BR-Fernsehbeitrag seit Monaten zu Werbezwecken nutzt

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Wahlkampf um die Starnberger Stadtratsmandate geht in den Endspurt. Die verschiedentlich als "Schicksalswahl" titulierte Neuwahl am Sonntag, 19. April, stellt in der Geschichte der Kreisstadt etwas ganz Besonderes dar: Nie zuvor war die Auswahl größer, acht Parteien mit insgesamt 240 Kandidaten buhlen um die Stimmen. Seit Wochen schon ist die Stadt zugepflastert mit Bannern und Plakaten. Prospekte und Flyer quellen aus den Briefkästen. Doch nicht immer halten sich Parteien, Bürger- und Wählergemeinschaften dabei an die strengen Vorgaben von Wahlleiterin Christina Kubach: Insbesondere die "Wählergemeinschaft pro Starnberg" (WPS) hat einen denkwürdigen Stil entwickelt, der bei der politischen Konkurrenz unverhohlen auf Kritik stößt - und unter anderem den geballten Protest von Peter Riemann herausgefordert hat: Den Starnberger Architekten und Stadtplaner erzürnt ein umstrittener Beitrag des Bayerischen Rundfunk (BR) wegen inhaltlicher Unkorrektheiten. Riemann schlägt dem BR nun vor, die Sendung aus der Mediathek zu löschen, einen entsprechenden Kommentar einzustellen und "generell die öffentliche Verwendung zu untersagen".

Er stützt sich dabei auf eine schriftliche Anfrage bei Michael Kordon, Leiter des für den B2-Tunnel zuständigen Staatlichen Bauamts Weilheim, sowie beim CSU-Ortsvorsitzenden Stefan Frey (CSU). Demnach hat WPS-Chef Günther Picker in der "Abendschau" eine "dezidiert unwahre und diffamierende Äußerung von sich gegeben". So behauptete WPS-Chef Picker vor laufender Kamera, die CSU habe beim Staatlichen Bauamt Weilheim interveniert, um die Rodungsarbeiten zur Westumfahrung aus wahltaktischen Gründen bis zum Sommer 2015 zu verzögern. Die Antwort von Bauamtsleiter Kordon - das Schreiben liegt der SZ vor - ist eindeutig: "Die Aussage, dass das Staatliche Bauamt seitens der CSU gebeten worden sei, bis Sommer mit irgendwelchen Tätigkeiten bezüglich der Westumfahrung zu warten, ist definitiv falsch." Mit Befremden stellt Kordon zudem fest, dass wir "parteipolitisch neutral" sind und es keinen parteipolitischen Einfluss mit dem Ziel einer Verzögerung der Westumfahrung gegeben habe. Die Verzögerung sei einzig dem Umstand geschuldet, dass bislang nicht alle benötigten Grundstücke im Besitz der Stadt Starnberg waren. "Es könnte vielleicht sein, dass sich in Wahlkampfzeiten nicht jeder der Wahrheit verpflichtet fühlt", schreibt Kordon.

Gemeint sein dürfte damit die WPS, die es im Verlauf dieses Wahlkampfs mehrfach nicht so genau genommen hat mit Wahrheit und Regeln. Schon vor dem offiziellen Starttermin zum Wahlkampf brachte sie ungenehmigt Banner an, musste sie aber, wie berichtet, zähneknirschend wieder abmontieren. Unmut bei der Konkurrenz erregt auch der Umstand, dass WPS-Wahlplakate an Stellwänden nicht etwa geleimt, sondern - entgegen allen Vorgaben - getackert werden. Besonders irritierend aber erscheint der Umstand, dass die WPS unliebsame Aussagen zuweilen schlicht ins Gegenteil verkehrt. So heißt es in einem Flyer: "Der Bundesminister erwartet von Ihnen ein klares Votum gegen den Tunnel." Dobrindt selbst dementierte diese Aussage jedoch umgehend und stellte klar, dass der Bund am Bau des B2-Tunnels festhalte. Von einer Umfahrung war nicht die Rede. Und an anderer Stelle behauptet die WPS: "Die Bundesbahn erwartet von Ihnen ein klares Votum gegen die Gleisverlegung in die Stadt". Das aber hat die Deutsche Bahn AG, die weiterhin von einer Erfüllung des 1987 geschlossenen Vertrages ausgeht, ebenfalls niemals behauptet.

Ende Februar hatte die WPS zu einem symbolischen "Spatenstich der Westumfahrung" eingeladen. Eine Aktion, der rund 100 Teilnehmer beiwohnten, die bei vielen anderen aber auf völliges Unverständnis stieß: Schon lange war der Bau der Westumfahrung beschlossene Sache. Auch ein BR-Fernsehteam war dabei, doch die Ausstrahlung des Beitrags verzögerte sich mehrfach. Grund: Inhaltlich falsche und teils abstruse Aussagen, die unter anderem CSU-Ortsvorsitzenden Stefan Frey protestieren ließen. Schließlich wurde der Beitrag vor der Ausstrahlung überarbeitet - was ihn nach Ansicht von Riemann aber nicht fehlerfrei macht. Die WPS nutzt den TV-Beitrag, bei dem wichtige Infos fehlen, auf ihrer Homepage und auf Facebook weiterhin als PR-Mittel. Riemann hat den Film daher überarbeitet und seit Montag kommentiert ins Internet (www.youtube.com/watch?v=C5BJSZ3ZMvM) eingestellt - mit wachsender Resonanz.

Der BR indes hat den Erhalt des Riemann-Schreibens an den Intendanten bestätigt ("Vielen Dank für Ihr Interesse"). Allerdings "gibt es auch keinen Anlass, den Beitrag aus der Mediathek zu entfernen", teilte die Pressestelle der SZ mit. Ob der Beitrag weiterhin von der WPS zu Werbezwecken genutzt werden darf, blieb offen.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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