Starnberg:Der möblierte Regenwald

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Das Landratsamt Starnberg zeigt die Karikaturenausstellung "Glänzende Aussichten", die den großen Katastrophen unserer Zeit und den Merkwürdigkeiten des modernen Lebens gewidmet ist. 64 Arbeiten von 39 Zeichnern sind zu sehen

Von Katja Sebald, Starnberg

Einen "überraschend anderen Blick auf die Katastrophen unserer Zeit" möchte die Karikaturenausstellung bieten, die aus einem Kooperationsprojekt des Erzbistums Bamberg mit dem Hilfswerk "Misereor" hervorgegangen ist und seit einigen Jahren durch ganz Deutschland tourt. Josefine Anderer-Hirt, Klimaschutzmanagerin des Landkreises, hat sie nun nach Starnberg geholt, wo sie im Foyer des Landratsamts in Anwesenheit von Landrat Karl Roth und dem Starnberger Stadtpfarrer Werner Haas eröffnet wurde. Etwa ein Dutzend Gäste waren der Einladung gefolgt.

Für die Wanderausstellung, die mit "Glänzende Aussichten" überschrieben ist, haben 39 Zeichner 99 Karikaturen zu Themen wie Lebensstil, Konsum, Klimawandel und Gerechtigkeit angefertigt. In Starnberg können Besucher der Kreisbehörde davon in den kommenden Wochen 64 Arbeiten sehen, mehr haben auf den Stellwänden keinen Platz gefunden. Wer jedoch meint, er könnte sich im drögen Behördenalltag eine kleine Schmunzelpause gönnen, der sollte gewarnt sein: Die meisten Karikaturen, die da auf den ersten Blick so bunt und fröhlich daherkommen, erweisen sich als so bitterböse und punktgenau treffend, dass einem das Lachen sehr schnell im Hals stecken bleibt.

Wer in diesem Sommer selber auf dem Mittelmeer unterwegs war, der hat mit eigenen Augen den allgegenwärtigen Plastikmüll gesehen, der längst den einstigen Fischreichtum abgelöst hat. "Ich würde nur blaue Plastiktüten zulassen", sagt auf einer der Zeichnungen an der Reling stehend eine nachdenkliche Schiffsreisende. Und ein paar Bilder weiter warten Umwelt, Hunger, Armut und Klima als personifizierte Jammergestalten in der Notaufnahme eines Krankenhauses, während ein diensteifriger Sanitäter den immer noch glänzenden Euro im Rollstuhl eilends an ihnen vorbei ins Behandlungszimmer schiebt. Da hilft auch das soeben gestartete "Wiedergutmachungsprogramm der Möbelindustrie" in den abgeholzten Regenwäldern nichts: Anstelle der Bäume stehen jetzt Schränke, Tische und Regale für die Tiere des Urwalds zum Klettern bereit. Und wirklich apokalyptisch wird es, wenn der Großvater seinem Enkelkind mit Blick auf eine verödete Landschaft die Hand auf die Schulter legt und sagt: "Ja, meinst Du denn im Ernst, da wäre auch nur einer von uns noch in sein Auto gestiegen, wenn wir das gewusst hätten?"

Nicht nur die großen Katastrophen, die unsere Welt bedrohen, haben die Karikaturisten mit spitzer Feder aufgespießt. Manchmal sind es auch die Merkwürdigkeiten unseres modernen Lebens, nicht minder abgründig, nicht minder böse: Ein kleiner Junge steht weinend vor dem Schaufenster eines Spielwarengeschäfts und ist untröstlich: "Ich hab das alles schon!", klagt er. Zum Glück aber gibt es die politisch korrekten Biohausfrauen, die beim Einkauf auf dem Markt fragen: "Sind die Kartoffeln aus Bodenhaltung?" Was das Ganze mit der Kirche zu tun hat? Nach Ansicht der Klimaschutzmanagerin ist die katholische Kirche Vorreiterin in Sachen Umweltschutz. Pfarrer Haas hingegen antwortet auf die Frage, ob er stolz auf diese Ausstellung ist: "Uns geht es um den Menschen, aber den kann man ja nicht ohne seine Umwelt sehen." In manchen der ausgestellten Zeichnungen aber muss sich auch die Kirche selbst eine Spitze gefallen lassen: "Wozu sollen wir beten, wir haben doch alles?", fragt das Kind seine Mama. "Für die anderen, die nichts haben", antwortet die Mutter. Darauf das Kind: "Als ob die davon satt würden."

Bis zum 22. Februar im Foyer des Landratsamts . Für Schulklassen gibt es Führungen und ein didaktisches Programm.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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