Vermeintlicher Meteoriten-Einschlag:Himmlischer Knaller in Andechs

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Die Zeitungen überschlugen sich, die Wissenschaftler jubelten. Am nächsten Tag war der Meteorit von Andechs nur noch eine Lachnummer. (Foto: Manfred Hummel)
  • Vor 20 Jahren gab es Berichte, dass ein unbekanntes Flugobjekt in ein Feuchtgebiet nahe dem Eglsee bei Andechs eingeschlagen war.
  • Wissenschaftler waren damals aus dem Häuschen, in ganz Deutschland wurde über den vermeintlichen Himmelskörper berichtet.
  • Doch es war kein Meteoriten-Einschlag, der die Menschen erschütterte - sondern ein ganz weltliches, geplantes Ereignis.

Von Manfred Hummel

Es war sozusagen ein Wunder, was sich da auf den Tag genau vor 20 Jahren bei Andechs ereignet hat. Mit rasender Geschwindigkeit schlägt am 4. März 1995, einem Samstag, gegen 13 Uhr ein unbekanntes Flugobjekt in ein Feuchtgebiet nahe dem Eglsee bei Andechs ein. Gottseidank nicht ins nahe Kloster oder gar in die am Wochenende besonders belebte Münchner Innenstadt. Ein dumpfer Krach, eine Schlammfontäne schießt 150 Meter hoch in den Himmel. "Die Brocken sind 500 Meter weit geflogen", berichtet der einzige Augenzeuge, der Landwirt Albert Arndt, wenig später den aufgeregten Reportern.

Als sich die Schwaden verzogen haben, wird das ganze Ausmaß der Attacke aus dem All deutlich: Der Krater hat 20 Meter Durchmesser, ist kreisrund, acht Meter tief und mit gletscher-grünem Wasser gefüllt. Das Ereignis gewinnt an Bedeutung, als am folgenden Sonntagmorgen gegen 11 Uhr zufällig der Polizeihubschrauber Edelweiß 2 auf einem Routineflug die Einschlagstelle passiert. Die Beamten machen eine unheimliche Entdeckung: Um den Krater ist der Schnee in einem Umkreis von 200 Metern geschmolzen. Es muss also eine enorme Hitzeentwicklung gegeben haben. Ein Flugzeugabsturz scheidet aus, die Explosion einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls. Weltraumschrott? Die Andechser Feuerwehr, die mit Geigerzählern anrückt, misst keine Radioaktivität.

Polizei geht von kosmischem Ereignis aus

So wird zur Gewissheit, was Experten vermuten. Es muss sich um einen Meteoriten von der Größe einer Billard-Kugel oder eines Kopfes aus einem Kometengürtel am Rande des Sonnensystems handeln. Die Wissenschaftler sind aus dem Häuschen - der letzte vergleichbare Einschlag in Deutschland liegt 500 Jahre zurück. Eine Sensation!

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So geht denn auch die Polizeiinspektion Herrsching von einem kosmischen Ereignis aus und informiert die Medienvertreter aus dem gesamten Bundesgebiet entsprechend. So kommt der "Meteorit von Andechs" in die Welt. Alle Medien, auch diese Zeitung, berichten in großer Aufmachung, wobei die Bild-Zeitung mit der Darstellung eines Kometen mit langem Feuerschweif den Vogel abschießt. Dutzende Schaulustige machen in Gummistiefeln einen Sonntagsausflug zum Kraterrand.

Verstaubt auf Behördenschreibtischen

Ein nüchternes Behördenschreiben bereitet am folgenden Tag der schönen Story ein jähes Ende. Die Beinahe-Katastrophe entpuppt sich als stinknormale, genehmigte "Kultursprengung". Am Wasser im Krater soll sich in der Sommerhitze das Federvieh des Biotops laben. Der Einsatz von schwerem Gerät für die Grube hätte mehr geschadet als genutzt.

Es stellt sich heraus, dass die Ankündigung der Sprengung mehr als 14 Tage unbeachtet auf Behördenschreibtischen herumlag und damit die Stellen vor Ort nicht informiert waren. Die Medien müssen zugeben, dass der Meteorit von Andechs eine veritable "Ente" ist. "Der Knaller vom Ammersee: Darüber lacht Deutschland" oder "Einfach zum Lachen, dieses Loch!" lauten die Schlagzeilen.

Einer, der heute noch über "Loch nass" schmunzeln kann, ist Eduard Reisch, 53. Der Sprengmeister aus Apfeldorf konnte natürlich nicht ahnen, welches gewaltige Medienecho er mit 100 Kilogramm Dynamit auslöst. Zunächst war es für ihn aber gar nicht lustig. Die Behörden versuchten, Reisch den Schwarzen Peter zuzuschieben und zerrten ihn vor Gericht. Nach zwei Instanzen war klar: Reisch hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Geschadet hat ihm der ganze Wirbel nicht. Mittlerweile zählt Reisch zu den gefragtesten Experten der Branche. 2014 jagte er den Frankfurter AFE-Tower in die Luft, die größte Sprengung in Europa. Eines aber ist Reisch von der Andechser Explosion geblieben. In Fachkreisen ist er nur der "Meteoriten-Edi".

© SZ vom 04.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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