Starnberg:Der Mann, der die Flocken liebt

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Ulrich Richter auf dem Hohenpeißenberg mit einem Gerät, das die dauer des Sonnenscheins misst. (Foto: Arlet Ulfers)

Wetterbeobachter Ulrich Richter führt auf dem Hohenpeißenberg genau Buch über Temperaturen und Niederschläge. Dieser Winter ist der wärmste seit 235 Jahren - und er kam sehr spät

Von Astrid Becker, Starnberg

Ulrich Richter liebt Schnee. Nicht nur, weil er so gern zum Langlaufen geht. Sondern, weil Schnee für ihn die spannendste Wetterlage ist. Schon als Kind habe er über die Schneehöhen Buch geführt, erzählt er. Ein Hobby, das später zu seinem Beruf wurde: Denn Ulrich Richter ist Wetterbeobachter im Meteorologischen Observatorium am Hohenpeißenberg. Viel Spaß an der kalten Jahreszeit hatte der 42-Jährige heuer allerdings nicht: Der Winter 2015/16 war in der Region der wärmste, der in der Wetterstation jemals gemessen wurde - seit Beginn der Aufzeichnungen vor immerhin 235 Jahren.

Knapp 1000 Meter hoch liegt der Arbeitsplatz von Richter. Alle halbe Stunde steigt er dort aufs Dach, schaut aufs Wetter und gibt dann fein säuberlich seine Beobachtungen in den Computer ein. Rund um die Uhr protokollieren er und seine Kollegen jede noch so kleine Veränderung am Firmament. Noch. Denn von 2019 an soll ihre Arbeit automatisiert werden. Doch bis dahin führen sie Buch - in diesem Winter jedoch mit Ergebnissen, die auch sie als erfahrene Experten ins Sachen Wetterkapriolen verblüfft haben.

Nach dem ohnehin wärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen hierzulande folgte denn auch noch der mildeste Winter. Allein der Dezember zeigte sich um 7,1 Grad Celsius zu warm - und stellte einen Temperaturrekord in der Messreihe des Observatoriums dar, das zum Deutschen Wetterdienst gehört und die älteste Bergwetterwarte der Welt ist. Allein der Dezember brachte kaum Niederschläge: "Zu trocken", stellten die Wetterbeobachter in Hohenpeißenberg fest. Stattdessen allerdings schien ungewöhnlich oft und lange die Sonne - zumindest im Dezember. In den beiden ersten Monaten des Jahres 2016 allerdings ließ sie sich weniger häufig sehen, was sich jedoch bezogen auf den gesamten Winter nicht negativ in der Bilanz auswirkte: Sie schien noch immer 30 Stunden zu viel.

Dauerfrost wie in vielen anderen Wintern zuvor gab es ebenfalls kaum - nur der Januar weist sieben Tage aus, an denen kontinentale Kaltluft aus Osteuropa für unangenehme Temperaturen sorgte - ansonsten bewegte sich die Spanne in diesem Winter zwischen 17,7 Grad Celsius am 20. Dezember bis zu 10,4 Grad Celsius am 18. Januar. Anders als im Dezember zeichneten die Wetterbeobachter in den ersten beiden Monaten des Jahres überreichliche Niederschläge auf - insgesamt 138 Prozent der in dieser Zeit normalerweise zu erwartenden Menge.

Der Winter ließ sich in der Region also erst in der Mitte des Januars blicken. Davor beherrschte allerdings eine eher markante Wetterlage das ganze Land: Während im Norden die Temperaturen bei minus zehn Grad Celsius lagen, verzeichnete die Region bis zu zehn Grad plus. Die erste geschlossene Schneedecke war dann am 13. Januar zu sehen, am höchsten fiel sie am 18. Januar mit bis zu 28 Zentimetern aus. In dieser Zeit wehte auch der Wind recht heftig in Stärken zwischen sechs und zehn. Schon von 25. Januar an war es jedoch auch damit vorbei: Das Thermometer kletterte wieder auf mehr als zehn Grad plus, der 26. Januar war mit seinen knapp 14 Grad sogar der wärmste 26. Januar seit 1781. Gegen Ende des Monats kam dann der Winter noch einmal zurück und brachte, zumindest in höheren Lagen, wieder Schnee, der allerdings innerhalb von zwölf Stunden komplett abgeschmolzen war.

Auch der Februar begann recht mild, wurde dann jedoch mit wenigen Ausnahmen von maritimer Polarluft geprägt. Die Sonne ließ sich aber mit nur 73 Stunden in diesem Monat wenig sehen. Dafür gab es mit einer Höhe von bis zu 34 Zentimetern noch einmal richtig viel Schnee - allerdings erst zum meteorologischen Frühlingsanfang am 1. März. Während die meisten Menschen das wohl nicht mehr wertschätzen konnten, war wohl einer der Wetterbeobachter vom Hohenpeißenberg recht glücklich darüber: Ulrich Richter, der Mann, der die Flocken liebt.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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