Starnberg:Das Wort im Fokus

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Frieder Lang dirigierte das Konzert mit SDG-Chor und -orchester und Mitgliedern der Evangelischen Kirchenchöre Starnberg und Feldafing-Pöcking. (Foto: Georgine Treybal)

Bei der Aufführung von Bachs Weihnachtskantaten in Starnbergs Friedenskirche brillieren die Sänger

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Es tut der Evangelischen Friedenskirche in Starnberg gut, dass ihre Sitzreihen jetzt zu den Außenwänden hin verlagert sind und ein Mittelgang entstanden ist. So ist der Kirchenraum vor 126 Jahren konzipiert worden - längs ausgerichtet auf die Apsis mit ihrer Ausmalung hin. Ob, wie Pfarrer Stefan Koch verkündete, die Akustik halliger geworden ist, war am Freitag nicht gerade deutlich nachzuvollziehen. Das tat der Aufführung der Kantaten 1-3 des Weihnachtsoratoriums BWV 248 von Bach jedenfalls keinen Abbruch.

Gewiss, eine hallige Akustik vermag die Stimmen weiter, fließender zu tragen und verleiht per se einen barock-feierlichen Glanz. Eine trockene Akustik wie in der Friedenskirche hat andere Qualitäten, die Frieder Lang am Pult adäquat zu nutzen verstand. Akustik mit Nachhall strengt die Ausführenden vielleicht weniger an. Doch jede noch so geringe Nachlässigkeit führt zu einem unverständlichen Brei. Lang hatte hier im Gegenteil mit ausgesprochen kammermusikalischen Bedingungen umzugehen.

Wie schon letztes Jahr stand also das Wort im Fokus, die klare, transparente Sprachdiktion, für die allerdings auch nicht weniger Präzision in der Ausführung nötig war. Lang als erfahrener Hochschul-Gesangspädagogen sah sich richtig herausgefordert und rief eigens in München einen Klangkörper ins Leben. SDG-Chor und -Orchester sind auf Bach zugeschnitten. Mit dem Kürzel SDG, was für "Soli Deo Gloria" (Gott allein die Ehre) steht, hatte Bach seine Werke unterzeichnet. Eine demütige Haltung, die für Lang eben auch eine interpretatorische Aussage trifft: Der Inhalt geht vor musikalische Ästhetik. Aber das Besondere in der Musik Bachs ist schließlich, dass sich die musikalische Schönheit und die sprachliche Ausdeutung nicht widersprechen. Klang und Aussage ergänzen und steigern sich in ihrer Wirkung. Erweitert mit Mitgliedern der Evangelischen Kirchenchöre Starnberg und Feldafing-Pöcking (Einstudierung Ralf Wagner) stand hier zudem ein Klangkörper zur Verfügung, der diese Ambivalenz verinnerlicht hatte und engagiert die Feinheiten der Gestaltung auch klanglich umzusetzen verstand. Ganz besonders in den poetischen Chorälen, die Anlass für charakterliches Changieren boten. Etwa der strahlend kraftvolle Choral "Brich an, o schönes Morgenlicht" (Nr.12), der sich bei "schwache Knäbelein" sanft ins Lyrische zurücknahm, um bei "Trost und Freude" neu aufzuleuchten und bei "Frieden bringen" feierlich in die Breite zu gehen.

Die Konzentration auf den vokalen Part sollte allerdings nicht bedeuten, die instrumentale Aufgabe zu vernachlässigen. Die Einstudierung des Orchesters kam offenbar zu kurz, was sich mit Schwächen im Text äußerte. Auch in der Ausgestaltung der Atmosphäre blieb das Orchester hinter den Vokalisten zurück. So blieb die Gesamtbalance schlank und farblich adäquat austariert, verzichtete aber auf die barocke Sinnlichkeit, die eine gewisse Substanzsättigung fordert.

Dass es dem Ensemble möglich gewesen wäre, mehr Fülle und Wärme einzubringen, deutete die Sinfonia zu Beginn des zweiten Teils stellenweise an, kam aber bisweilen auch ins Schludern. Umso exponierter gelangten die solistischen Stimmen zur Geltung, die mit ihrer warmtonigen und lyrischen Ausprägung der Aufführung viel Atmosphäre und Ausdruckskraft zurückgaben. Die erst 29-jährige Südkoreanerin Jaewon Yun (Sopran), die Gärtnerplatz-Choristin Brigitte Lang (Alt), der Noch-Student der Münchner Hochschule Jonas Wuermeling (Tenor) und Extrachorist der Münchner Staatstheater Niklas Mallmann (Bass) waren ein stimmiges Solistenensemble, auch wenn Mallmann allzu viel Dramatik und Kraft in die Stimme legte. Im Sopran-Bass-Duett "Herr, dein Mitleid", das im lyrisch-melancholischen Charakter dennoch munter und beherzt daherkam, fanden die beiden Solisten dann aber doch zu einer klangschönen Balance und einhelligen Dramaturgie. Wuermeling als Johannes differenzierte seine Rezitative als Prediger von der Kanzel überaus überzeugend und bewies in den Arien beachtliche Reife. Yun und Brigitte Lang vermochten am einfühlsamsten ihre Arien auszugestalten, mit ihrer lyrischen Schönheit überaus berührend. Das Publikum applaudierte so lange, bis das Finale - jetzt mit gelockerten Zügen - als Zugabe wiederholt wurde.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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