Starnberg:Bunte Welt des Plattenbaus

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Von Matthias Pfeiffer, Starnberg

Plattenbauten. Bei diesem Wort kommen sicher bei den meisten die gleichen Assoziationen: kalte graue Klötze, in denen irgendwelche anonymen Menschen hausen. Lorenz Findeisen hat sich ein paar Gedanken mehr gemacht und daraus den beeindruckenden Dokumentarfilm "Concrete Stories" geschaffen.

In 72 Minuten reist Findeisen nach Paris, Most in Tschechien und Berlin. Er gibt den Menschen hinter dem Beton ein Gesicht und lässt sie ihre Geschichten erzählen. Im Breitwand-Kino in Starnberg erzählt aber Nicolai Baehr erst die Geschichte des Betons. Der Diplom-Ingenieur hielt schon in der Vergangenheit die Einführung zu Architekturfilmen auf dem Festival. Dieses Mal taucht auch ein berühmter Name auf: Le Corbusier. Der Stararchitekt plante schon in den Zwanzigern riesige Betonwohnanlagen für Paris, die leichteres Wohnen ermöglichen sollten.

Was daraus geworden ist, zeigt sich hier samt all der Widersprüche. Der Bau kann ein Ort der Gemeinschaft sein, gleichzeitig aber auch ein Schlachtfeld der Gerüchte und des Tratsches. Unzählige Archivaufnahmen zeigen daneben die fröhlich-naive Welt der Werbung, die den Plattenbau als das Paradies auf Erden anpreist - in Russland auch gern als Ballett-Musical. Am Beispiel Most sieht man, wie nah sich Zerstörung und Wiederaufbau sind. Historisches Material zeigt die Sprengung der Altstadt in den Siebzigern. Heute ragen dort die grauen gesichtslosen Wohnkolosse in den Himmel. Dabei lässt Findeisen die Bilder und Protagonisten für sich sprechen. Der Zuschauer muss selbst entscheiden, was Fluch oder Segen, wahres Lebensglück oder Propaganda ist. Auch zeigt er deutlich, wie sich Zeichen und Weltbilder ändern. In der DDR waren die Plattenbauten noch die große sozialistische Wohnvision, heute sollen sie Luxusferienwohnungen weichen. Nun steht der Gewinn im Mittelpunkt, nicht mehr der Bewohner. Der Zuschauer verlässt "Concrete Stories" mit einer Unmenge an Eindrücken und Bildern. Der Film zeigt, wie tief die Dinge gehen können , die wir als alltäglich, oft auch als störend erachten.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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