Starnberg:Blumige Aussichten

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Ein Paradies für Insekten sind blühende Wiesen. (Foto: Georgine Treybal)

Schluss mit öden, artenarmen Feldern: Blühwiesen sind im Kommen. Denn Kommunen, Privatleute und auch Landwirte wollen den Lebensraum der Insekten erhalten und sichern

Von Sabine Bader

Blüht da was? Ja, und wie! Aber wo? Es heißt doch immer, die Felder litten unter Artenarmut. Und dadurch sind Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Käfer, sprich alle blütenbestäubenden Insekten, in einer drastischen Lage: Sie haben nichts zu futtern.

Nur auf bestimmten Wiesen ist es anders: Es sind die sogenannten Blühwiesen, eine Herzensangelegenheit der Solidargemeinschaft Starnberger Land. Jana Schmaderer ist die Vorsitzende und sie weiß, was sie tut. Die in Andechs lebende 49-Jährige macht den Job seit mehr als einem Jahr. Natürlich kümmert sie sich in dieser Eigenschaft nicht ausschließlich um blühende Wiesen, sondern um viel mehr - um die Sonnenäcker zum Beispiel. Das sind Ackerstandorte, auf denen diejenigen ihr eigenes Gemüse anbauen können, die selbst keinen Garten geeigneter Größe besitzen. Aber heute soll es in erster Linie um Blütenpflanzen gehen.

Bereits seit 2014 befassen sich die Mitglieder von Starnberger Land intensiv mit diesem Thema. Damals hatten sie Christoph Rauch zu einem Vortag nach Andechs eingeladen. Rauch ist in doppelter Hinsicht vom Fach. Er ist Imker und zugleich Referent des "Netzwerks Blühende Landschaft". Das Interesse am Thema war groß. Rund 70 Besucher kamen seinerzeit in den Klostergasthof. Doch bei dem einmaligen Gedankenaustausch ist es nicht geblieben. Das wäre bei weitem zu kurz gegriffen. Seit dieser Zeit bemüht sich die Solidargemeinschaft in dieser Sache viel mehr darum, die grundlegenden Zusammenhänge verständlich zu machen. Und angesprochen sind hier nicht nur die Leute vom Fach, also vor allem die Landwirte, sondern auch die Kommunen und ihre Bürger. Denn jeder von ihnen kann zur Artenvielfalt in der Natur beitragen. Jeder kann die Monotonie auf Äckern und Grünfläche verringern.

Auch auf den neun Sonnenäckern, die Schmaderer für die Solidargemeinschaft betreut, kann man was für Bienen tun. Darum hat jeder der rund 230 Pächter der Ackerflächen heuer ein Gratistütchen mit Blühwiesensamen von Starnberger Land geschenkt bekommen. Und die meisten von ihnen haben sie auch ausgesät. Gemeinderäte und Bürgermeister von der Notwendigkeit des Projekts zu überzeugen, ist nicht allzu schwer. "Die Welle ist schon gut ins Rollen zu kommen", sagt Schmaderer. "Aber natürlich versuchen wir auch mit den Landwirten ins Gespräch zu kommen. Das ist schwieriger." Klar, weil da finanzielle Interessen mit hineinspielen. Und doch gibt es auch hier Erfolge zu verzeichnen. So hat die Landwirtsfamilie Ostermair aus Weßling in Eigeninitiative ein ganzes Stück ihres Ackers für eine Blühwiese zur Verfügung gestellt, erzählt Schmaderer. Nur das Saatgut finanzierte Starnberger Land.

Die Botschaft ist auch bei den Bürgern angekommen. Immer häufiger hört man, dass Grundstücksbesitzer im Fünfseenland auf den monatlichen Rasenschnitt á la Nagelschere verzichten, sich stattdessen lieber an der bunten Vielfalt auf ihrer Wiese erfreuen und am Gesurre und Geschwirr rundum. Sie sind dazu übergegangen, lieber einmal pro Jahr ihren Garten vom Bauern mit der Sense mähen zu lassen. Das kostet zwar ein paar Euro, aber dafür spart man obendrein noch Benzin für den Rasenmäher, von Reparatur- und Wartungskosten ganz zu schweigen. Im Falle eines Bienen- und Hummelsterbens in größerem Umfang würde das auch Auswirkungen auf die Versorgung mit Lebensmitteln, zum Beispiel mit Honig, haben. Ganz zu schweigen davon, dass Insekten auch eine wichtige Rolle in der Nahrungskette spielen, beispielsweise für die Singvögel.

Kein Wunder, dass Jürgen Ehrhardt, Gartenfachberater am Landratsamt Starnberg, seit geraumer Zeit darauf achtet, dass auch beim "Tag der offenen Gartentür", den er für seine Behörde ausrichtet, immer ein naturnaher Garten dabei ist. Generell hat, nach seiner Ansicht, ein "Umdenkprozess" eingesetzt - auch bei den Kommunen. "Viele von ihnen sind längst weggekommen von den nur noch grünen Wiesen", sagt er. Vielfalt fürs Auge, heißt ihre Devise. Und die Bürger danken es ihnen mit viel Lob. Außerdem sparen vor allem Gemeinden, die über etlichen Grundbesitz verfügen, ja auch spürbar an Aufwand und damit an Geld. "Fast alle Kommunen machen in dieser Hinsicht etwas", weiß Ehrhardt. Und er freut sich darüber. Denn das ist für ihn ein Zeichen, dass die Beratungen Erfolg haben. Besonders lobt er hier die Stadt Starnberg. Sie ist nicht nur Mitglied im "Netzwerk blühende Landschaften". Seit geraumer Zeit pflanzt die Kommune "verstärkt bienenfreundliche Wildblumen", wie Rathauschefin Eva John berichtet. Nicht nur auf großen Wiesen, sondern auch an Straßen und im Bereich von Schulen und Kindergärten.

Die Gemeinde Wörthsee hat sogar eigens ein Grundstück, das zuvor massiv landschaftlich genutzt worden war, zurückgepachtet und darauf Wildblumen gepflanzt. Auch Krailling hat auf der Sanatoriumswiese und dem Osthang zwei Insektenparadiese geschaffen. Und so heißt es im Fünfseenland an immer mehr Stellen: Hier blüht doch was.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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