Starnberg:Blätter, die die Welt bedeuten

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Ernst Quester bietet unbekannten Autoren in seinen "Starnberger Heften" die Gelegenheit, Texte zu veröffentlichen. (Foto: Nila Thiel)

Literatur als Projekt für die Pension: Ernst Quester gibt die "Starnberger Hefte" heraus

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

"Was, Du bist nicht beim Spiegel", wurde Ernst Quester von ehemaligen Mitschülern auf einem Klassentreffen 20 Jahre nach seinem Abitur gefragt. Denn schon 1963 hatte Quester auf dem Gymnasium die Schülerzeitung "Blitzableiter" herausgebracht und alle dachten, er würde das Schreiben zu seinem Beruf machen. Stattdessen ist Quester Lehrer geworden. Wenngleich ihn das Schreiben nie losgelassen hat, findet er seine Berufswahl auch rückblickend noch richtig. "Ich bin froh, dass ich Lehrer war", sagt der heute 71-Jährige vor dem Hintergrund, dass er als Herausgeber der "Starnberger Hefte" die Erfahrung machen musste, "welch hartes Geschäft Literatur ist".

2012 kam das erste seiner Starnberger Hefte heraus mit dem Titel "Geister". Und es war bereits ein großer Erfolg. Die gesamte Auflage wurde verkauft. "Ich bin fast durch die Decke geknallt vor Euphorie", erinnert sich der Starnberger. Allerdings sei er schon bald wieder "auf dem Boden gelandet". Heute, nach sieben Jahren, erscheinen drei Hefte pro Jahr und sie verkaufen sich immer noch gut. Quester selbst ist allerdings um einige Erfahrungen reicher. "Es braucht Geduld, Zähigkeit und Leidensvermögen", weiß er heute. "Anfangsabenteuer" nennt Quester seine Anstrengungen, die Hefte über Buchhändler von München bis Murnau zu vertreiben. Das klappte nicht so gut und das Terrain wurde reduziert auf die Landkreise Starnberg und Weilheim. Hier gibt es Stammleser, die die Hefte über ein Förderabo vorfinanzieren.

Als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Starnberger Gymnasium hat Quester die Erfahrung gemacht, dass es in jeder Klasse drei bis fünf Schüler gibt, die wirklich gut Schreiben können. Diese "Wesensverwandten" wollte er fördern und hat 1991 einen Kurs für Freies Schreiben gegründet. Die Beiträge seiner Schüler hat Quester damals unter dem Titel "Skizzen" veröffentlicht.

Zu seinem 60. Geburtstag hatte sich Quester Gedanken darüber gemacht, wie er die Zeit nach seiner Pensionierung ausfüllen will - und sich vorgenommen, eine Literaturzeitschrift herauszubringen, in der unbekannte Autoren die Gelegenheit bekommen sollten, ihre Texte zu veröffentlichen. Abwechslungsreich sollte die Zeitschrift sein und politisch, wie finanziell unabhängig. Er trommelte seine "Jünger", die ehemaligen Schüler aus dem Kurs "Freies Schreiben" zusammen und traf sich mit ihnen in seinem Wohnzimmer. "Da war die Bude voll." In der Gruppe fand der ehemalige Lehrer nicht nur Autoren, die Beiträge lieferten. Seine früheren Schüler arbeiten zudem unentgeltlich mit im Redaktionsteam. Fabian Müller macht das Layout, Patricia Czezior das Lektorat und Julian Schmid ist für das Titelbild zuständig. Auch professionelle Autoren, wie die Schriftstellerin Petra Morsbach, sind dem Projekt wohlgesonnen und liefern den einen oder anderen Beitrag. Zudem wirken ehemalige Lehrerkollegen mit, wie etwa Herbert Schmied, der dem gebürtigen Franken Quester Heimatgefühl vermittelte. Seine "Inspiration" allerdings sei seine Familie, sagt Quester. Er ist mit einer Koreanerin verheiratet und daher sei die Ferne ein Bestandteil seines Lebens. Seine beiden Töchter, eine Bibliothekarin und eine Filmemacherin, arbeiten ebenfalls an dem Projekt mit. Viele Anregungen bekam Quester auch durch seine Freunde, die auf ihren Bergtouren Gedichte verfassten.

Als Quester 2011 in den Ruhestand ging, nahm er gleich das Projekt in Angriff. Seither erscheinen drei Hefte pro Jahr mit Gedichten, Geschichten und satirischen Beiträgen zu Themen wie Heimat, Geister, Kindheitserinnerungen oder aktuell "Projekte". Quester selbst findet allerdings kaum mehr Zeit zum Schreiben. Als Herausgeber der Zeitschrift hat er genug zu tun. Meist bleibt er auch auf einem kleinen Defizit sitzen. Doch das sei ihm der Spaß wert, sagt er.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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