Starnberg:Berechtigung zum Genießen

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"Das geht doch niescht": Die beiden Politessen auf Stelzen geben sich streng, verteilen aber Berechtigungen zum Genießen. (Foto: Arlet Ulfers)

Clowns auf Stelzen erheitern die Besucher der Französischen Woche in Starnberg

Von Anna-Elena Knerich, Starnberg

"Sie 'aben keine Genehmigüng, eine Sonnenbrille zu tragen? Das geht doch niescht! 'ier in Deutschland braucht man doch für alles eine Genehmigüng!", tönt es aus mehr als zwei Metern Höhe. Denn so groß sind "Polly und Tess" auf ihren Stelzen, als sie mit französischem Akzent das Publikum auf dem Kirchplatz in Starnberg begrüßen. "Politesse" ist das französische Wort für Höflichkeit. Die Stelzenpolitessen verteilen an die Gäste charmant "Universalgenehmigungen": Berechtigungen, "das Leben in vollen Zügen zu genießen". Was sich die Starnberger nicht zweimal sagen lassen.

Sie schlemmen sich durch die französische Küche, von elsässischem Flammkuchen über Croque Monsieur und bretonische Fischsuppe bis hin zu Crêpes. Natürlich dürfen die Austern auch heuer nicht fehlen. "Sie sind ein absolutes Muss und diesmal sogar noch besser als letztes Jahr", schwärmt eine ältere Frau. Dass sie so frisch sind, mag am Direktimport aus Cancale liegen: 2400 Austern haben die sechs Franzosen aus Dinard, "les Amis de Starnberg", mitgebracht, ebenso den Käse und die 1170 Flaschen Wein und Cidre. Vor 20 Jahren waren die Starnberger noch skeptisch gegenüber den Muscheln, doch mittlerweile schätzen auch Jugendliche die Delikatesse, vor allem die Schüler, die im Austausch in Dinard waren, weiß Angelika Galata, Vorsitzende der Freunde von Dinard.

Allerdings gibt es dieses Jahr zum ersten Mal keine Bühne mit Live-Musik, die besonders die Jugend angezogen hatte, doch das finden die Gäste gar nicht so schlimm: "Es ist eher angenehm, dass man nicht mehr von der lauten Musik beschallt wird, so kann man sich besser unterhalten. Schließlich trifft man hier immer alle Leute, die man sonst das ganze Jahr nicht sieht", sagt eine junge Frau am Nachmittag. Sie und ihre Freundin haben extra den Tag freigenommen, um schon mittags Flammkuchen zu essen und guten Wein zu trinken. Seit mehr als 15 Jahren kommen sie hierher und haben sämtliche Weinsorten probiert, mittlerweile haben sie ihren Lieblingsrosé gefunden.

Dem Weinhändler Ralf Mansour-Agather aus Pähl zufolge mögen die Starnberger lieber Weißwein als Roten. Deshalb stehen auf seiner Karte auch mehr Vins blancs und Rosé, darunter der seltene Wein vom Château Miraval, dem Weingut von Brad Pitt und Angelina Jolie, "einer der wenigen Promiweine, die wirklich gut sind", lacht der Weinkenner. Ihm liege es am Herzen, den Leuten individuell den Wein anzubieten, der ihnen schmeckt, und so sitzen bereits nachmittags viele Gäste bei ihm zur Verkostung.

Vielleicht lockerte der Alkohol die Zungen, denn trotz fehlender Bühne ließen sich Gäste sogar einmal zum Singen animieren: Die beiden Münchner Stelzenpolitessen Kirstie Handel, hauptberuflich Clown, und Judith Gorgass, ausgebildete Schauspielerin, mischten sich auch als Clowns-Duo unter das Publikum. Sie erzählten von einer Frankreichreise in einer alten Ente und forderten die Gäste auf, einen "französischen Schongsong" mitzusingen. Und tatsächlich, sowohl junge als auch ältere Leute stimmten eifrig den Kanon "Frère Jacques" an - auf Deutsch und Französisch. Die Walking Acts kommen also gut an bei den Gästen.

An diesem Samstag um 15 Uhr und am Sonntag um 13 Uhr bietet der Pantomime Maître André sein Programm. Die Französische Woche klingt am Sonntag mit einem Tangoabend aus: Nach dem Grundlagenworkshop für Neueinsteiger um 16 Uhr wird noch bis 22.30 Uhr Tango getanzt, mit Musik von DJ Ralf Sartori.

Wenn das Publikum nicht gerade selbst für Musik sorgt, wandeln zwei waschechte Bretonen vom Cercle celtique An Alarc'h de Dinard über den Platz und spielen traditionelle Lieder: Auf einem bretonischen "accordéon diatonique" begleitet Marie Noëlle Ott den Klarinettisten Daniel Huon bei einem Laridé de Kervignac, einer Polka aus der Bretagne. "Jedes bretonische Dorf hat seine eigenen Tänze", erzählt die Musikerin, "wir haben über 200 Lieder im Repertoire und noch kein einziges hier zweimal gesungen" Die beiden sprechen kein Deutsch, sind aber erstaunt, wie viele Starnberger Französisch können. Vielleicht kommen ja doch nicht alle nur wegen des Weins hierher.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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