Starnberg:Aus für die letzte Bastion

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Ein spannendes Projekt ist Geschichte: Bürgermeisterin Eva John, Eigentümer Michael Mükusch und Künstler Andreas Sarow (von links) bei der Finissage des "Kanonenhauses" in der Starnberger Hauptstraße. (Foto: Arlet Ulfers)

Das viel diskutierte Kunstprojekt an der Starnberger Hauptstraße wird abgebaut, das Haus abgerissen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Sind es friedliche Fernrohre, die hier aus den Fenstern ragen, oder feindliche Kanonen? Mit dieser Frage beschäftigten sich zahlreiche Autofahrer, wenn sie an der Starnberger Hauptstraße im Stau standen und das Gebäude betrachteten, das vor drei Monaten quasi über Nacht zum Kunstobjekt wurde. Der Pforzheimer Künstler Andreas Sarow hat den mehr als 100 Jahre alten Bau neben dem alten Rathaus mit leuchtend orange-roter Farbe gestrichen und ein pechschwarzes Holzgitter davorgesetzt. Aus den Dachfenstern ragen schwarze Rohre. "Die letzte Bastion" hat Sarow die Installation genannt, in Starnberg hieß es schon bald "Kanonenhaus"; denn nicht selten fragten die Bürger, wer oder was mit diesem Bollwerk verteidigt werden soll, das bei nächtlicher Beleuchtung wie eine brennende Festung wirkte. Doch egal, wie das Kunstobjekt beurteilt wurde, friedlich oder aggressiv, es ließ niemanden kalt. Es wurde darüber geredet. "Starnberg hatte einen echten Aufreger, einen Gesprächsstoff", sagte Bürgermeisterin Eva John auf der Finissage am Donnerstagabend. Sie selbst beurteilte das Kunstobjekt als "absolut gelungen". Die Installation wird nun abgebaut. Im Oktober soll das Haus abgerissen werden. Auf dem 600 Quadratmeter großen Areal wird ein Wohn- und Geschäftshaus entstehen.

Auch die Neubauplanungen waren kontrovers diskutiert worden. Wie die Rathauschefin erläuterte, waren im Bauantrag goldene Dachschindeln vorgesehen, die im Bauausschuss als "Goldklumpen", "eine Katastrophe" oder "ein besonderes Stück Hässlichkeit" beurteilt wurden. Man einigte sich schließlich darauf, dass das Dach einen der Umgebung angepassten, dunklen Bronzeton erhält. Wenn es nach dem Eigentümer Michael Mükusch geht, könnte der Neubau mit einem Café und einem Geschäft im Erdgeschoß sowie sechs Wohnungen und einer "Haus-in-Haus-Lösung" in den oberen Stockwerken schon Ende 2020 fertig sein.

Mükusch hatte Sarow beauftragt, weil ihn die früheren Installationen des Künstlers beeindruckt hätten. Das alte Gebäude sollte noch einmal aufleben dürfen, bevor es verschwindet, sagte der Projektentwickler aus München. So lange stellte er sein neues Projekt in den Hintergrund. Die Kosten für das Kunstobjekt liegen nach seinen Angaben im fünfstelligen Bereich. Der Architekt bedauert "keinen einzigen Euro", den er dafür investiert hat.

Wie Sarow betonte, wollte er das alte Gebäude noch einmal "zum Leuchten bringen", bevor mit ihm ein Stück Stadtgeschichte verschwinde. Deshalb habe er für die Installation auch den Titel "Die letzte Bastion" gewählt. "Das Objekt ist keine Angriffsbastion, sondern Verteidigung", sagte er. Ein Haus habe keine Abwehrmechanismen, es könne sich nicht gegen den Abriss wehren. Das Kunstwerk soll gesellschaftskritisch sein, den Betrachter zum Nachdenken bringen, auch über sich selbst. Nach Meinung des Künstlers hat jeder Mensch seine eigene letzte Bastion. "Man trauert als Bewohner vielem hinterher, aber das ist die Entwicklung." Der Pforzheimer arbeitet bereits an einem neuen Projekt. Genaueres will er nicht verraten. Das Material seines Kunstprojekts in Starnberg, wie Beleuchtung, Holzgitter oder die Kanonen, will Sarow aber wiederverwenden.

© SZ vom 21.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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