Starnberg:Auf der Spur einer weltberühmten Heiligen

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Fachleute rätseln schon lange über die Herkunft einer Holzskulptur von Ignaz Günther, die auch schon in London ausgestellt war. Nach neuen Forschungsergebnissen stammt die geschnitzte Katharina aus der kleinen Kirche St. Peter und Paul in Harkirchen

Von Katja Sebald

Viel ist schon spekuliert worden über die Herkunft der sogenannten Starnberger Heiligen von Ignaz Günther, die sich seit der Eröffnung des Heimatmuseums, das heute Museum Starnberger See heißt, im Besitz der Stadt befindet. Den Altar in der kleinen Kirche St. Peter und Paul in Harkirchen, in deren unmittelbarer Nachbarschaft die Figur gefunden wurde, hat jedoch in den vergangenen hundert Jahren niemand genau in den Blick genommen. Einige Details dieses Altars verweisen jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Günther. Vieles spricht dafür, dass die Schnitzfigur, bei der es sich nach neuesten Forschungsergebnissen um eine Heilige Katharina handelt, ursprünglich dort aufgestellt war.

Das Museum wurde im Jahr 1914 eröffnet, ein Jahr zuvor hatten Martin Penzl, Richard Paulus und Anton Obermayer den "Museumsverein für den Würmseegau, Verein für Volkstum und Heimat" gegründet. Penzl hatte eine verwitterte Rokoko-Skulptur in der Scheune oder auf dem Speicher des Blaslhofs in Harkirchen gefunden. "F. J. Gindter. fecit. 1755" - diese Signatur in der rückwärtigen Aushöhlung weist sie als Werk von Ignaz Günther aus, ist aber zugleich der einzige Hinweis auf ihre Herkunft. Der Blaslhof, ehemals Sedelhof von Harkirchen, stand direkt gegenüber der Kirche. 1897 hatte ihn Max von Klenze gekauft, ein Enkel des berühmten Architekten Leo von Klenze. Von der Familie Klenze erhielt Penzl im Jahr 1913 die Heiligenfigur als Schenkung für das zu gründende Museum. Wie und wann sie auf den Blaslhof gekommen ist, weiß man nicht. 1960 kaufte die Stadt München den Hof, ein Jahr später wurde er abgerissen.

Beim Altar in der Kirche in Harkirchen könnte die sogenannte Starnberger Heilige ursprünglich gestanden haben. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Starnberger Heilige aus Harkirchen wurde weltberühmt und war sogar in London ausgestellt. In der Fachliteratur wird sie mit großer Begeisterung beschrieben, ins abgelegene Harkirchen ist jedoch offensichtlich keiner der Forscher gereist. Der Hinweis, dass die Figur aus "Haunsfeld oder Haarkirchen bei Starnberg" stammt, wurde über die Jahre immer wieder übernommen. Der fehlerhafte Bezug zu Hanfeld lässt sich leicht er klären: Die Günther-Figur kam nämlich zusammen mit einer spätgotischen Heiligen Anna aus der Hanfelder Kirche ins Starnberger Museum. Einen Ignaz-Günther-Altar hat es dort mit Sicherheit nie gegeben, wie die Forschungen zur Stadtgeschichte belegen.

In der Graphischen Sammlung in München soll es früher eine Entwurfszeichnung gegeben haben, nach der die Figur über einem seitlichen Durchgang angebracht war. Angeblich gehörte zur Schenkung der Klenzes auch ein Putto, den man allerdings zunächst für eine Arbeit von Roman Anton Boos hielt und erst viel später Günther zuschrieb.

Die geschichtliche Überlieferung zu dem uralten Kirchlein St. Peter und Paul, das wohl schon im ersten Jahrtausend als adlige Eigenkirche bestand, ist denkbar knapp. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert gehörte Harkirchen zur Hofmark Kempfenhausen. 1748 hatte der kurbayerische Hofkammerrat und Kommerzienrat Franz Joseph von Dufrésne die Hofmark Kempfenhausen mit Harkirchen erworben. Dufrésne war unter Kurfürst Max III. Joseph Leiter der Hofkammer, der Schneiderei und der Mobilien. Er besaß eine eigene Gemäldesammlung und fungierte als Kunstberater des Kurfürsten, in dessen Auftrag er Kunstgegenstände kaufte. Man darf davon ausgehen, dass Dufrésne auch seine Finger im Spiel hatte, als der junge Bildhauer Günther, von der Akademie in Wien kommend und mit dem "Ersten Premium der Bildhauerei" ausgezeichnet, im Jahr 1754 durch Bewilligung des Kurfürsten Max III. Joseph zum "hofbefreiten" Bildhauer ernannt wurde, was ihm zwar kein Gehalt, aber doch immerhin das Recht auf freie Berufsausübung garantierte. Der Harkirchner Altar könnte einer seiner ersten Aufträge gewesen sein.

Auch wenn ein archivalischer Beleg für die Tätigkeit von Günther in Harkirchen fehlt, so spricht doch der zwar nur fragmentarisch erhaltene und vielfach überarbeitete Altar für sich: Die hohe Qualität der Schnitzarbeiten, insbesondere der beiden Vasen auf dem Altarauszug, und die geschwungene, ausgebauchte Form des Tabernakels mit den beiden seitlichen Voluten, nicht zuletzt aber die dynamischen Wolken im Strahlenkranz des Auszugs lassen einen direkten Vergleich mit anderen Arbeiten von Günther zu. Man muss jedoch kein Fachmann sein, um bei den geflügelten Puttenköpfchen und ihren sorgfältig gestalteten Gesichtern an Günther zu denken.

Der Restaurator Rupert Karbacher, der als ausgewiesener Rokoko-Fachmann die Starnberger Heilige 2015 im Landesamt für Denkmalpflege untersuchte, entdeckte weitere Details in den Marmorierungen und Vergoldungen sowie Spuren von handgeschmiedeten Nägeln, die auf das 18. Jahrhundert verweisen. Zusammen mit der Autorin dieses Textes hatte sich Karbacher ein Bild vor Ort gemacht und anschließend Überlegungen für eine mögliche Aufstellung der Heiligenfigur auf dem Altar in Harkirchen angestellt: Seiner Meinung könnte sie auch die zentrale Figur des Altars gewesen sein.

Sicher ist, dass die Podeste für die beiden Figuren der Kirchenpatrone Peter und Paul aus dem 16. Jahrhundert erst nachträglich in den Altar hineinmontiert wurden und dafür die Stellung der Säulen verändert werden musste. Sicher ist auch, dass das Altargemälde, eine Kopie des Dresdner Weihnachtsbildes von Correggio, nicht zur ursprünglichen Altarausstattung gehörte: Eine runde Fensteröffnung hinter dem Altar diente sicherlich zur kunstvollen Illumination der zentralen Altarfiguren.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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