Starnberg:Am Wangener Weiher staut sich die Wut

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Nach dem Verkauf an einen Privatmann dürfen die Anwohner das Niederschlagswasser nicht mehr einleiten. Eine Trauerweide wurde gefällt, Telekom und Bayernwerk sollen Masten entfernen

Von Peter Haacke, Starnberg

Mit Erstaunen und großer Empörung hat die Bevölkerung in Wangen im vergangenen Sommer den heimlichen Verkauf des Dorfweihers an einen Privatmann zur Kenntnis genommen. Für eine Summe unterhalb der 90 000-Euro-Grenze hatte Bürgermeisterin Eva John das Geschäft eigenverantwortlich abgewickelt. Bis heute ist unbekannt, wie hoch der Kaufpreis tatsächlich ist, zumal sämtliche Verpflichtungen bei der Kommune verbleiben. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass sich insbesondere für die Anlieger eine Reihe nachteiliger Konsequenzen aus dem unerwarteten Grundstücksverkauf ergeben könnten. Sie befürchten, dass die Folgekosten des Geschäfts den Kaufpreis für das Areal weit übersteigen.

Alles soll schöner werden, solange es nur bleibt, wie es mal war: In vielen Ortsteilen Starnbergs setzt man große Hoffnungen auf das Projekt "Unser Dorf soll schöner werden". In Wangen jedoch, dem östlich der Kreisstadt gelegenen Dorf an der Autobahn mit rund 800 Einwohnern, wachsen seit dem Sommer 2015 die Zweifel an den schönen Worten. Grund: Das Erscheinungsbild des 1874 amtlich erwähnten Weihers, der das Dorfidyll prägt, hat sich seit dem Verkauf drastisch verändert. Eine Trauerweide wurde gefällt, die Vegetation entfernt. Das Areal wurde neu eingezäunt und das Wasser zwischenzeitlich im Auftrag der Stadt abgepumpt. Doch das ist nicht alles.

So sieht der Weiher heute aus. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Stadtrat berichtete ein unmittelbar betroffener Anwohner aus der Wildmoosstraße von weiteren Merkwürdigkeiten: Ihm war von dem neuen Besitzer des Weihers - ebenso wie drei weiteren Nachbarn - das Einleiten von Niederschlagswasser in den Teich untersagt worden. Mitte Februar wurden Mitarbeiter der Bayernwerke und der Telekom vorstellig. Sie sollten, so hieß es, die seit Jahren auf dem ehemals öffentlichen Grundstück stehenden Masten entfernen. Für die Betroffenen stellt sich nun die Frage: Wohin sollen sie nach Jahrzehnten einvernehmlicher Regelung ihr Wasser ableiten? Ein Anschluss an den Tagwasserkanal sei laut Abwasserverband wegen des zu geringen Rohrdurchschnitts nicht möglich, beteuert der Anlieger. Eine Erweiterung des Rohrnetzes aber würde enorme Kosten nach sich ziehen. Und eine Versickerungsbohrung auf eigenem Grund vereitelt ein Flüssiggasbehälter. Muss nun womöglich die Kanalisation in der Wildmoosstraße komplett erneuert werden? Gefährdet Grundwasser künftig umliegende Häuser, wenn der Teich versiegelt wird? Und muss der Weiher eventuell mit Leitungswasser befüllt werden?

Der stillschweigende Verkauf des Weihers ließ Ende Juli die Wellen der Empörung hochschlagen: Bürgermeisterin John hatte die Verhandlungen in der "stadtratlosen Zeit" betrieben; der Vertrag aber wurde unterzeichnet, als der Stadtrat längst wieder im Amt war. Nur zufällig war das Geschäft Stadtrat Winfried Wobbe (UWG) bekannt geworden. Über Details wie den Kaufpreis schwiegen sich die Beteiligten beharrlich aus. Zwar darf die Feuerwehr das Gewässer weiterhin uneingeschränkt nutzen. Welchen Vorteil die Stadt aus dem Verkauf zieht, ist unklar: Der neue Besitzer ist weder verantwortlich für Wasserstand noch für die -qualität und wird "von allen diesbezüglich ihm gegenüber eventuell geltend gemachten Ansprüchen freigestellt", heißt es im Vertrag. Im Klartext: Alles, was im Zusammenhang mit der Funktion des Weihers Geld kostet, zahlt die Stadt. Der neue Eigentümer übernimmt lediglich die Verkehrssicherungspflicht. Zudem, so die Befürchtung, konterkariert der Verkauf sämtliche Bemühungen zu "Unser Dorf soll schöner werden".

So bewachsen war der Dorfweiher früher. (Foto: Franz X. Fuchs)

Als offenes Geheimnis gilt in Wangen, dass John und die neuen Besitzer über das soziale Netzwerk "Facebook" auch persönliche Beziehungen pflegen; die drei Beteiligten führen sich gegenseitig als "Freunde". Jahrelang soll der neue Besitzer versucht haben, das Areal zu erwerben, was ihm aber stets verweigert wurde. Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger jedenfalls dementierte im August mit Nachdruck die Aussage Johns, sie habe den Vorgang 2014 von ihrem Vorgänger "geerbt".

Am 22. Januar fand ein Gespräch mit den betroffenen Anwohnern im Rathaus statt. Auch das Landratsamt ist mittlerweile als Aufsichtsbehörde in den Vorgang involviert. Angesichts vieler ungeklärter Fragen, insbesondere zu Grund- und Regenwasser sowie hydrogeologischen Gegebenheiten, pochen die Anlieger auf ihr Gewohnheitsrecht - und fordern einen Stopp der Arbeiten. Sie sind nicht bereit, für immense Folgekosten, die sich aus dem möglicherweise unbedachten Verkauf des Löschweihers ergeben, zu zahlen.

Eine SZ-Anfrage im Rathaus zum Thema ist seit Tagen unbeantwortet. John ließ am Montag im Stadtrat lediglich verlautbaren, dass die Stadt einen Planungsauftrag erteilt habe mit der Vorgabe, die bisherigen Einleitungen auch weiterhin beizubehalten. Das Papier soll spätestens Anfang März vorliegen, ein Weiterbau erst nach Abschluss und Abstimmung des Planungsergebnisses mit den Anwohnern erfolgen. Der neue Eigentümer des Weihers war für die SZ nicht erreichbar. Wie die betroffenen Anwohner nach dem Verbot der Einleitung ihr Niederschlagswasser entsorgen sollen, ist dagegen unklar. Bis dahin lassen sie einfach alles, wie es war.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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