Starnberg:Ängste, Nöte und Überstunden

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In sachlicher Atmosphäre erklärten Helferkreise, Vertreter des Landratsamts, der Stadtverwaltung und Polizei die Lage zur Flüchtlingsunterbringung. (Foto: Nila Thiel)

Landrat Karl Roth, seine Mitarbeiter und Bürgermeisterin Eva John informieren darüber, wie viele Flüchtlinge im Landkreis leben, wo neue Unterkünfte entstehen werden und wie es weitergehen soll

Von Peter Haacke, Starnberg

244 von insgesamt fast 1900 Flüchtlingen im Landkreis sind bereits seit geraumer Zeit dezentral in Starnberger Wohnungen und Häusern untergebracht. Doch das wird auf absehbare Zeit nicht reichen: In der Petersbrunner Straße entsteht derzeit neben dem Wertstoffhof eine Containeranlage, die von März an neben 75 Asylsuchenden auch Obdachlosen ein festes Dach über dem Kopf bieten soll. Fest geplant ist ein weiteres Containerdorf für 144 Menschen auf dem Sportplatzgelände des SC Percha, das Ende 2016 bezugsfertig sein soll. Zudem will das Landratsamt auf einer Wiese im Landschaftsschutzgebiet zwischen Franziskusweg und Tierheim eine Maschinenhalle für 120 Menschen errichten lassen. Einen Überblick zur Situation im Landkreis gab es am Donnerstag in der Schlossberghalle im Rahmen einer Infoveranstaltung zum Thema "Asyl in Starnberg - Unterbringung, Integration und Ehrenamt", die rund 180 Zuhörer interessiert verfolgten.

Landrat Roth und seine bereits mehrfach bei derartigen Infoveranstaltungen gestählten Mitarbeiter - Kreisbaumeister Christian Kühnel und Geschäftsbereichsleiter Stefan Derpa - sowie eine Vertreterin der Helferkreise und ein Polizist trafen auf ein geduldig zuhörendes Auditorium. In überaus sachlicher Atmosphäre ohne störende Zwischenrufe oder Tumulte referierte zunächst Bürgermeisterin Eva John über das Prozedere der Flüchtlingsaufnahme und die Situation in Starnberg. Deutlich wurde dabei vor allem: Neben der Herausforderung zu Unterbringung und Integrationsbemühungen wächst auch das Unbehagen angesichts knapp 500 Fremder aus verschiedensten Kulturkreisen, die schwerpunktmäßig im Norden der Kreisstadt untergebracht sein werden. Insbesondere die Anwohner des Franziskuswegs machten am Donnerstag ihre Ängste und Befürchtungen deutlich, zumal es in diesem Bereich Ende Dezember bereits zu einer sexuellen Belästigung gekommen sein soll. Die Tennishallen in der Gautinger Straße eignen sich nicht als Unterkunft. Landrat Roth und Bürgermeisterin John stellten betroffenen Anwohnern in diesem Quartier Gespräche in Aussicht.

Die zweieinhalbstündige Bürgerversammlung beleuchtete die aktuelle Situation der Flüchtlinge und Helfer aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. Die Mehrzahl der Flüchtlinge im Landkreis kommt aus Afghanistan (745), gefolgt von Menschen aus Syrien (170), Eritrea (151), Irak (150), Pakistan (139) und Nigeria (126). Die meisten Asylbewerber sind derzeit in Gauting (385) untergebracht vor Tutzing (254), Starnberg (244), Herrsching (206), Berg (136), Feldafing (117) und Inning (110). Keine der Kommunen hat bislang die Soll-Zahlen gemäß eines festgelegten Verteilungsschlüssels erreicht; allein in Starnberg sollen demnach bis zum Jahresende 778 Personen untergebracht werden.

Roth nahm für sich die meiste Redezeit in Anspruch. Er schilderte umfangreich die Entwicklung seit 2012 und die angespannte Lage aus behördlicher Sicht: Überstunden, Personalmangel und die ständige Suche nach weiteren Kapazitäten prägen den Alltag im Landratsamt. Aber auch die belastende Atmosphäre in den Flüchtlingslagern kam zur Sprache. Ausdrückliches Lob gab es für Starnbergs Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger, der bereits vor vier Jahren mit Weitblick dezentrale Wohnungen für Flüchtlinge organisiert hatte, und für die Zusammenarbeit mit den Kommunen. Von Sporthallenbelegungen wie in Inning, Weßling und Gilching will man künftig absehen. Daran knüpfte Roth seine Bitte: "Melden Sie uns freie oder leer stehende Wohnungen". Neben umfunktionierten Maschinenhallen will der Landkreis im Rahmen eines EU-weiten Wettbewerbs auf "standardisierten Wohnungsbau" setzen.

Die Veranstaltung verdeutlichte auch, dass es mit der Unterbringung allein nicht getan ist: Kinder und Jugendliche müssen in Kindergärten und Schulen betreut werden, viele Flüchtlinge streben eine Ausbildung an, die meisten wollen arbeiten. Sabine Mach als Sprecherin der Helferkreise sagte: "Wir brauchen weiterhin engagierte Menschen; es gibt viel zu tun." Infos finden sich online unter www.asyl-sta.de.

Fragen der Bürger betrafen eine bessere Verteilung der Unterkünfte im Stadtgebiet, finanzielle Auswirkungen auf die Kommune und das Sicherheitsbedürfnis. Frank Brosch (Polizei) berichtete überwiegend von Einsätzen in Unterkünften nach Streitigkeiten. Die Unterkünfte in der Petersbrunner Straße können am Mittwoch, 24. Februar, von 11.30 bis 13 Uhr besichtigt werden. Und am Donnerstag, 17. März, folgt im Landratsamt eine Veranstaltung zur schrittweisen Integration von Asylbewerbern in den hiesigen Arbeitsmarkt.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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