Starnberg:30 Stadträte, zehn Schwächen und ein Workshop

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Starnbergs Mandatsträger gehen gemeinsam in Klausur, um die Arbeitsatmosphäre zu verbessern

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Starnberger Stadtrat ist bekanntermaßen wahrlich kein Ort für zartbesaitete Seelen: Zuweilen geht es hier hochemotional zur Sache, erbittert wird gestritten und gepoltert - und das schon seit Jahren. Insbesondere seit 2008, als die "Wählergemeinschaft pro Starnberg" (WPS) unter Führung von Günther Picker im 30-köpfigen Gremium ihre Premiere feierte, hat sich der Tonfall merklich verschärft. Die Qualität der Arbeit indes verbesserte sich nicht, im Gegenteil: Die Lagerbildung hat sich verfestigt, mittlerweile neun Fraktionen buhlen um Aufmerksamkeit. Das Unbehagen nimmt derweil zu - ein Umstand, den auch die Mandatsträger mit gewisser Sorge registrieren. Um die Arbeitsatmosphäre nachhaltig zu verbessern und verkrustete Strukturen wieder etwas aufzubrechen, hat der Stadtrat jetzt einen bemerkenswerten Beschluss gefasst: Erstmals seit Jahren will man - jenseits des Tagesgeschäftes und um der guten Sache willen - gemeinsam in Klausur gehen.

In seltener Einhelligkeit beschloss das Gremium nach intensiver Diskussion, in einer "moderierten Klausur" mit allen Stadträten und den Spitzenkräften der Verwaltung eine Art "Standortbestimmung" zu erarbeiten. Im Fokus sollen Stärken und Schwächen auf Starnbergs Weg zur "nachhaltigen Bürgerkommune" stehen. Insbesondere das Thema "Transparenz" dürfte dabei von zentraler Bedeutung für den gruppendynamischen Prozess im Beziehungsgeflecht zwischen Mandatsträgern, Verwaltung und Bürgerschaft sein. Doch auch der zuweilen rüpelhafte Umgang könnte thematisiert werden. Einen Termin gibt es noch nicht.

Bereits Ende Januar hatte in Zusammenarbeit mit der Ökologischen Akademie Linden ein Workshop unter Beteiligung von zehn Stadträten aus acht Fraktionen, zehn Vertretern aus Lenkungskreis und Stagenda sowie drei Mitarbeitern der Verwaltung stattgefunden. Das Fazit der Teilnehmer fiel überaus positiv aus: Christiane Falk (SPD) lobte die "gute fraktionsübergreifende Arbeitsatmosphäre", Winfried Wobbe (UWG) die "konstruktive Arbeit" in den gemischten Arbeitskreisen. Klaus Rieskamp (BLS) befand, dass es wichtig sei, die "nachhaltige Bürgerkommune" als Werkzeug zu betrachten, das richtig bedient werden müsse, damit es auch funktioniert. Eine sechsköpfige Redaktionsgruppe erarbeitete schließlich eine Empfehlung an den Stadtrat, in der "vorbereitende Schritte für eine prozessorientierte Entwicklung des Leitbilds Nachhaltige Bürgerkommune Starnberg" auf den Weg gebracht werden sollen. Martina Neubauer (Grüne) bemerkte, dass es dabei um "Formen der Zusammenarbeit" und die Bürgernähe zur Verwaltung geht: "Ein positives Signal an die Bürger!"

Gleichwohl war im Gremium eine gewisse Skepsis gegenüber den Empfehlungen der Arbeitsgruppe spürbar, die das Thema "Transparenz" als größte von insgesamt zehn Schwächen Starnbergs herausgearbeitet hatte. Vor allem die WPS, aber auch Gerd Weger (CSU) machten Vorbehalte geltend: Er betonte, dass das Ganze nicht wirklich neu sei und erinnerte an die "Runden Tische" unter Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger. Patrick Janik (UWG) witterte eine "Feigenblattfunktion", die WPS warnte vor einem vorzeitigen "Dialogprozess mit dem Bürger". Die Grünen dagegen befürworteten das Vorhaben, sofern alle Stadträte zwingend teilnehmen. Applaus erntete Falk im Hinblick aufs weitere Vorgehen zum Projekt für ihren in vielerlei Hinsicht weisen Satz: "Die Reihenfolge ist der Schlüssel zur ganzen Frustration, die in der Stadt herrscht."

Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss: Erst mal will man in Klausur gehen, danach erneut über das weitere Vorgehen beraten. Die Kosten dafür betragen vorläufig 9000 Euro. Welche Themen man dann konkret beackern will, ist derzeit noch unklar, aber Bürgermeisterin Eva John vermutet: "Das wird keine Wohlfühlveranstaltung.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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