Starnberg:Kolonne gegen die Krise

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Milchbauern aus dem Landkreis Starnberg beteiligen sich an Protestzug nach München. Die Landwirte sehen ihre Existenz durch niedrige Milchpreise bedroht und fordern Obergrenzen für die Produktion

Von Armin Greune, Starnber

Etwa 160 landwirtschaftliche Zugmaschinen haben am Dienstagmorgen auf der B2 im Landkreis Starnberg und auf der Staatsstraße im Würmtal Verkehrsbehinderungen und längere Staus verursacht. Die Bauern waren mit Transparenten auf dem Weg zu einer Kundgebung am Odeonsplatz, um Maßnahmen gegen die niedrigen Milchabnahmepreise zu fordern. Insgesamt fanden sich zur Großkundgebung in München etwa 500 Traktoren und 3000 Teilnehmer ein.

Die motorisierte Delegation aus dem Landkreis Starnberg war mit 14 Traktoren vergleichsweise überschaubar. Einige Kollegen seien auch mit der S-Bahn in die Stadt gefahren, sagt Michael Friedinger, Kreisvorsitzender im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Die Starnberger reihten sich am Maxhofkreisel und am Gautinger Friedhof in eine sehr viel größere Karawane ein, die von Süden angerollt kam - wo die Landwirtschaft stärker von der Milch geprägt ist, als der Starnberger Raum. Die weiteste Anreise hatten Teilnehmer aus Freiburg zurückzulegen. 140 Zugmaschinen zählten die Polizeibeamten der Starnberger Inspektion bereits um 7.45 Uhr am Hirschberg, als sie dort an der Landkreisgrenze die Weilheimer Kollegen bei der Begleitung des Zugs ablösten. Zwei Polizeiautos fuhren an der Spitze und am Ende des Zugs, außerdem war ein Starnberger Beamter auf dem Motorrad dabei. In der Kreisstadt mussten vier Dienstfahrzeuge die Einmündungen zur Bundesstraße sperren. Offenbar traf der Zug viele Autofahrer völlig unvorbereitet, und bald waren auch alle Schleichwege in der Kreisstadt überlastet. Auf der Staatsstraße 2063 durch das Würmtal war die Kolonne und der anschließende Stau bereits mehr als einen Kilometer lang. In Gauting löste gegen 9.30 Uhr eine Eskorte aus München die Starnberger Beamten ab, bis dahin war die Kolonne auf 160 Traktoren angewachsen.

160 Traktoren haben am Dienstag den Landkreis durchquert: Die Landwirte haben ein politisches Konzept gêgen die niedrigen Milchpreise gefordert. (Foto: Nila Thiel)

Die Demonstration steht im Zeichen eines dramatischen Einbruchs der Erzeugerpreise für Milch: Lag er Anfang 2014 noch bei 40,9 Cent pro Liter, ist er inzwischen in Oberbayern auf 30,3 Cent gesunken. Kostendeckend könnten die Betriebe aber erst ab 45 Cent pro Liter wirtschaften, sagt Friedinger. Allein die 123 Produzenten im Landkreis Starnberg mussten 2014 Verluste von 2,5 Millionen Euro in Kauf nehmen, viele Milchbauern seien langfristig in ihrer Existenz bedroht. Die zentrale Forderung des BDM an die Politik lautet, den gesetzlichen Rahmen für ein Krisenmanagement zu schaffen. Der Verband habe dazu ein "einfach zu handhabendes Konzept" erarbeitet, dass bei Preiseinbrüchen eine Obergrenze für die Milchproduktion festlegt, sagt Friedinger: "Einige Bauern könnten die Lieferungen um zwei oder drei Prozent zurückfahren und dafür Ausgleichszahlungen von den Kollegen erhalten, die weiter unvermindert produzieren."

Georg Holzer, größter Milchviehhalter im Landkreis Starnberg und als stellvertretender Kreisbauernobmanns im Bayerischen Bauernverband nicht im BBV engagiert, sieht hingegen die Hauptursache der Krise nicht in einer Überproduktion. Seiner Meinung nach sind für den Preisverfall im Inland vor allem die Discounter verantwortlich, die Milchprodukte zu Schleuderpreisen auf den Markt werfen. Zudem seien mit dem russischen Einfuhrverbot Exportmärkte weggebrochen. "Mit Schleppern auf den Straßen ein massives Verkehrschaos zu veranstalten, hilft nicht, die Verbraucher von einem fairen Milchpreis zu überzeugen", findet Holzer. Friedinger freilich hat auf der Anfahrt nach München viel Unterstützung erfahren: "Die Leute am Straßenrand haben freundlich gewunken und den Daumen hochgehalten." Wie die Autofahrer im Stau hinter dem Zug reagiert haben, ist dem Farchacher Landwirt allerdings nicht zu Ohren gekommen.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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