Stammhaus Gauting:Weiß-grün und heiter

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Grüne Wände, weißer Hirsch: Im Stammhaus wird das Bayerische neu interpretiert. Daneben gibt es noch eine rote Lounge und ein Kinderzimmer. (Foto: Georgine Treybal)

Der Schweinsbraten ist das Aushängeschild eines bayerischen Wirtshauses. Gelingt er dem Koch nicht, kehrt man besser nicht wieder. Das aber wäre schade beim Stammhaus in Gauting, ist es doch ein alles in allem sehr respektables Lokal - mit ordentlichem Essen, einem eigenen Kinderzimmer und Bayernbildern, die einer CSU-Wahlkampagne entsprungen sein könnten.

Von Gertrude Fein

Der Schweinsbraten ist das Aushängeschild eines bayerischen Wirtshauses, sollte es jedenfalls sein. So ein saftiges Stück Braten, nicht zu mager, nicht zu fett, mit röscher Kruste und naturbelassener Soße, ist ein Genuss. Aber der Kenner weiß, dass es meist nicht geraten ist, in einem Lokal, das mittags geöffnet hat, abends einen Schweinsbraten zu bestellen. Dann ist er oft nur aufgewärmt, und die Kruste wird entweder unter dem Grill gehärtet oder sie hängt traurig schlapp am Bratenrand.

Wie kommen wir jetzt nur vom aufgewärmten Schweinsbraten zum "Stammhaus" in Gauting? Ach ja, dem Engel Aloisius sei's geklagt, dort war er am Abend aufgewärmt, die Schwarte schlapp, und zu allem Übel lag das Fleisch auch noch in Brocken zerfallen auf dem Teller. Der Semmelknödel zerfloss bei der ersten Berührung - vielleicht vor Scham? Nur der Kartoffelknödel und das Blaukraut waren in Ordnung (10,90 Euro).

Wer so einen Reinfall beim ersten Besuch erlebt, wird wohl kaum einen zweiten wagen. Das aber wäre schade, denn das Stammhaus ist ein respektables Lokal mit vielen guten Seiten. Zum Beispiel die fröhlichen Leute vom Service.

Ein Monitor zeigt die schönsten Bayernbilder

Von außen ist die alte Wirtschaft recht unscheinbar, innen erstaunlich großräumig. Zuerst betritt man eine gemütliche, etwas verschnörkelt eingerichtete Stube. Dahinter liegt der vorwiegend in dunklem Holz gehaltene Hauptraum mit altem Parkett, Sitzbänken rundum, schönen Lampen und einer langen Theke. So hätte ein gediegenes bayerisches Wirtshaus auch vor hundert Jahren aussehen können. Allerdings wäre den Gästen damals das Vergnügen entgangen, fasziniert einen Bildschirm über der Theke betrachten zu können, auf dem ständig die schönsten Bayernbilder laufen, als wären sie gerade der CSU-Wahlkampagne entsprungen.

Dazu passend, aber zum Glück leise, dudelt volkstümliche Musik. An diesen Raum schließt sich eine Art Lounge an, in satten Rottönen gehalten. Außerdem gibt es noch ein richtiges Kinderzimmer mit weichem Boden und Spielsachen und einem großen Tisch für die Erwachsenen, eine ausgesprochen nette Idee. Im Sommer - sollte es einen geben - sitzt es sich angenehm unter ausladenden Bäumen oder einer Markise an der Hauswand. Auf der Website liest sich das so: "Das Stammhaus bietet junge bayerische Küche in gemütlichen und gleichzeitig stylischen Ambiente". Nieder mit den Dativ!

Obwohl die Speisekarte angenehm kurz gehalten ist, dürfte jeder Gast für sich das Passende finden, von überkandideltem Schnickschnack einmal abgesehen. Ochsentafelspitz mit Blattspinat (14,90) und Tellerfleisch mit Kren, Bouillonkartoffeln und Gemüse (8,90) überzeugten ebenso durch ausgezeichnete Fleischqualität wie der Münchner Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln und grünen Bohnen (18,90), das Fleisch perfekt rosa gebraten, ohne roh zu sein. Auch das Champignonschnitzel vom Schwein (12,90) blieb bis zum letzten Bissen saftig, dazu gab es hausgemachte Spätzle und eine Schüssel voll mit kunterbuntem Salat.

Beim Schweinsbraten hatte der Koch wohl einen Blackout

Die ordentliche Portion Lammkoteletts mit Kartoffelgratin (14,90) und die butterweich geschmorte Lammhaxn (12,90) schmeckten vorzüglich. Zur Haxn gab es Kartöffelchen einer sehr guten Sorte und Speckwirsing, der allerdings erst auf Nachfrage - "wenn sie unbedingt Wert darauf legen" - gebracht wurde. Die Nachfrage hatte sich gelohnt, denn er war besonders köstlich. Er wurde auch zu den etwas zu zögerlich gewürzten Fleischpflanzerln vom Kalb (9,90) serviert, neben ebenso köstlichem Kartoffelstampf.

Das Wiener Schnitzel (16,90), zwei große, zarte Scheiben Kalbfleisch, fein in "Andechser Fassbutter" gebraten, wurde begleitet von Bratkartoffeln, die, überstreut mit Ringen von Frühlingszwiebeln, besonders gut schmeckten. Dazu gab es Preiselbeeren und faden Salat, an dem Essig und Öl wohl nur vorbeigetragen worden waren. Bei all diesen Gerichten war die Qualität des Fleisches sehr gut. Umso mehr verwundert es, dass der Schweinsbraten so daneben gegangen war. Vermutlich hatte der Koch in dem Moment, als er diese Angelegenheit zum Servieren freigab, einen Blackout. Kann ja mal vorkommen. Fisch wird ebenfalls angeboten im Stammhaus. Und der kam bei der Fischplatte mit drei Sorten - Lachs, Forelle, Zander - mustergültig gebraten aus der Küche (15,90).

Wer sein Erspartes nicht in Wein anlegen möchte, hält sich hier am besten an das Bier von Löwenbräu (die Halbe Urtyp 3,90, das Dunkle 3,60). Denn für einen stinknormalen Tischwein ohne jede nähere Herkunftsbezeichnung wagt man es, vier Euro neunzig zu verlangen für 0,2 Liter, für 0,1 Liter sogar 3,90! Ebenso unangebracht sind 2,20 Euro für einen miserablen Espresso, der den wohlschmeckenden, aber leicht klebrigen Apfelstrudel mit Vanillesoße (4,90) begleiten sollte. Mit Begeisterung wurde die "Heiße Liebe" (3,90) vertilgt, cremiges Eis mit einer Art roten Grütze aus heißen Himbeeren. Ein süßes Gedicht waren die Bayerische Creme mit Waldbeerspiegel (3,90) und das Erdbeerragout (4,90).

© SZ vom 04.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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