Sonderausstellung:Ein Geschenk mit zarten Beinchen

Lesezeit: 3 min

Skulpturengruppe des Bildhauers Tim Bennett bleibt nun dauerhaft im Starnberger Museum

Von Armin Greune, Starnberg

Die Kreisstadt ist um einen Kunstschatz reicher. Die seit dem Frühjahr präsentierte Skulpturengruppe "Trophies" des Bildhauers Tim Bennett geht nun dauerhaft in den Besitz des Museums Starnberger See über. Die drei Metallstelen, die im Innenhof zwischen historischem Lochmannhaus und modernem Museumsbau vor einem spiegelnden Glasgang aufgestellt sind, hat Bennett für die Sonderausstellung "Schätze schauen" des Museums angefertigt. Obwohl der Künstler seit 15 Jahren auf internationalen Ausstellungen vertreten ist, sind die Starnberger Trophies seine erste bildhauerische Arbeit, die für einen Standort im Freien konzipiert ist. Und es ist auch das erste Werk, das Bennett verschenkt. Nur die Materialkosten muss das Museum erstatten: "Einen Kauf hätte unsere Haushaltslage nicht zugelassen", räumt Museumsleiter Benjamin Tillig ein.

Die drei Figuren wirken nüchtern konstruktivistisch und doch auch auf gespenstische Art organisch. Sie könnten Teil einer architektonischen Konstruktion sein oder geheimnisvolle Besucher aus dem All, die auf zarten Beinchen die neue Umgebung erkunden. Die Impulse für sein künstlerisches Schaffen findet Bennett im Alltag. Die Inspiration zu Trophies kam ihm auf einer Radtour nach Garching als er sah, wie beim Abbau einer Brücke die Stahlträger im Beton freigelegt wurden. Eine fünfköpfige Gruppe gleichen Namens steht seit zwei Jahren im Foyer der Uni Bielefeld.

Vor einem spiegelnden Glasgang zwischen historischem Lochmannhaus und modernem Museumsbau stehen die Metallstelen, die Tim Bennett für die Sonderausstellung "Schätze schauen" angefertigt hat. (Foto: Nila Thiel)

Seine Werke griffen oft Formen und Strukturen in einer Phase der Zerstörung auf, sagt Bennett: "Es ist ein Kontrollieren des Verfalls. Der Prozess, dies nachzuahmen, beglückt mich ästhetisch." Jedes Schaffen sei immer auch die Zerstörung vorherigen Zustands. "Als Bildhauer will ich das Bild auch hauen", doch er arbeitet sowohl additiv wie subtraktiv, also indem er Material aufträgt oder entfernt. "Aber mir geht es immer um die Materialität", sagt Bennett. Er will nicht, dass Betrachter sofort erkennen, aus welcher Substanz seine Trophies geschaffen wurden. Was zunächst wie Stahlbeton anmutet, ist in Wirklichkeit Aluminiumguss. Die drei Objekte stehen zwar auf einer schweren Sockelplatte, wirken aber dennoch so, als könnten sie jeden Moment ins Straucheln geraten. Ein Ziel seiner Kunst sei, "die Fragilität von allem aufzeigen, was uns umgibt". Mit dem Titel will Bennett auf die Beute von Entdeckungsreisen oder Eroberungszügen anspielen, die den Potentaten die Schatzkammern füllten.

Bennett, Jahrgang 1973, wuchs in einer Arbeiterfamilie im Nordwesten Englands auf. In Deutschland erlernte er zunächst den Beruf des Kochs, die handwerklichen Erfahrungen als Steinmetz ließen sein Interesse an der Bildhauerei erwachen. Zur Jahrtausendwende trat er ein Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste München bei Ben Willikens and Hermann Pitz an. Nach dem Diplom lebte er drei Jahre in London, um den Master of Fine Arts am Goldsmiths College zu absolvieren. Seit 2008 wohnt und arbeitet Bennett in München, kürzlich kam noch ein Atelier im Allgäu dazu. Für seine Objekte und Installationen setzt er meist handelsübliche Bau- und Bastelstoffe wie Gipskarton, Gips, Zement, Holz, Furnier ein, aber auch Marmor und Bronze. Mit seiner künstlerischen Arbeit versetzt er seine Materialien in völlig neue Bedeutungsräume.

Ein Werk von Tim Bennett. (Foto: Nila Thiel)

Als Leihgabe sind im Erdgeschoss des Starnberger Museum noch zwei plastische Bilder von Bennett zu sehen, die gerade erst während des Corona-Lockdowns entstanden sind. "Ohne Titel (Yellow Burst)" hängt im Foyer, im Gang findet sich "Ohne Titel (L'Espalier des Saucisses): Das mit drei Weißwürsten behängte Spalier lässt den subtilen Humor Bennetts erkennen. Zudem bietet er in den Herbstferien einen eintägigen Workshop für Kinder an: Am Mittwoch, 4. November, können sie von 10 Uhr an unter seiner Anleitung Skulpturen fertigen. Materialkosten von zehn Euro werden erhoben, Anmeldung unter der Telefonnummer 08151/447 7570 oder per E-Mail an info@museum-starnberger-see.de.

Benjamin Tillig hat im ersten Jahr als Museumsleiter in Starnberg schon einige neue Akzente gesetzt. Die drei Werke Bennetts sind nicht die ersten Beispiele zeitgenössischer Kunst, die im vormaligen Heimatmuseum Einzug gehalten haben: Als Kontrast zur Sonderausstellung "Frau aus Gips" wird das abstrakte Gemälde "E112" von Rupprecht Geiger präsentiert. Und im Rahmen von "Schätze schauen" wird der Film "Der Lauf der Dinge" des Künstlerduos Fischli & Weiß gezeigt.

Für sein Haus sieht Tillig neben der Dokumentation lokaler Geschichte und Geschehnisse eine weitere wichtige Aufgabe: "Wir wollen eine kleine Lokomotive sein, die Kultur und Gesellschaft voranzieht und überregionel anbindet." In kommenden Jahr möchte der Museumsleiter deshalb auch verstärkt mit lokalen Künstlern zusammenarbeiten.

© SZ vom 28.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: