Seeshaupt:Willkommen im Kino

Lesezeit: 2 min

Balanceakte mit Pappnase: Szene aus Walter Steffens Dokumentation über die "Clowns ohne Grenzen". (Foto: Manfred Lehner, oh)

Nach der Premiere in Starnberg läuft Steffens "Happy Welcome" in den deutschen Lichtspielhäusern

Von Gerhard Summer, Seeshaupt

Wer Regie führen will, lässt sich auf ein kühnes Unternehmen ein, aber in Walter Steffens Fall geht es schon eher ums Extremabenteuer. Klar, auch er kann es sich schon mal erlauben, fünfeinhalb Wochen durch Indien zu reisen, wenn der BR Koproduzent ist und die Finanzierung steht. Als Drehbuchautor bosselt er ohnehin oft Jahre an Texten. Aber bei seinen eigenen Projekten ist meist völlig unklar, wie das Ganze bezahlt werden soll, gelegentlich drängt noch dazu die Zeit, weil das Thema gerade jetzt aktuell ist.

Dann greift Steffen schon mal zum Hauruck-Verfahren, zieht einfach mit seinem Kameramann und einem Tonassistenten los und hofft darauf, dass sich über Fundraising irgendwann genug Geld auftreiben lässt. So jedenfalls war es bei "Happy Welcome", seiner Doku über die deutsche Willkommenskultur. Sieben Tage lang hefteten sich Steffen und sein Team im Sommer 2015 an die Fersen der "Clowns ohne Grenzen" und besuchten mit ihnen Aufnahmeeinrichtungen und Heime für Flüchtlinge. Für den Schnitt gingen dann noch mal 40 bis 50 Tage drauf. Verdammt wenig Zeit für einen Film, der mehr sein soll als ein Schlaglicht und eine ungefähre Annäherung. Aber dafür ist Steffen, der den Regisseur Michael Verhoeven als eines seiner großen Vorbilder nennt, jetzt vornedran, denn auch bei "Happy Welcome" schaffte er, was ihm bislang noch mit allen Filmen glückte: Die Doku hatte Premiere auf dem Fünfseen-Filmfestival in Starnberg und wird von 19. November an in den deutschen Kinos zu sehen sein.

Schon "München in Indien", Steffens bisher vielleicht professionellste Doku, lief bundesweit in den Lichtspielhäusern. Für andere kleinere Arbeiten wie "Netz & Würm - Fischergeschichten vom Starnberger See" oder "Trüffeljagd im Fünfseenland" konnten Steffen immerhin die regionalen Kinos begeistern. "Bavaria Vista Club" wiederum, sein Porträt der Musikszene, trat zum Zug durch Bayern an. Möglich wird das durch Steffens eigenen Verleih. Er und seine Mitarbeiter übernehmen neben Werbung und Pressearbeit auch die Hauptarbeit: die Kinos zu akquirieren, die in aller Regel nicht von selbst auf den Filmemacher zukommen.

"Happy Welcome" hat ein komplexes Thema und setzt trotzdem auf Einfachheit. Zu sehen ist schlicht, wie die Clowns in Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg auftreten, Kinder und Erwachsene umarmen, faszinieren und zum Lachen bringen. Menschen, die zum Teil Terror erlebten, ihre Heimat hinter sich ließen und schreckliche Strapazen ertrugen. Natürlich, mit Seifenblasen lassen sich keine Konflikte lösen, Seifenblasen platzen schnell, aber sie bringen Farbe in den tristen Alltag. Der Kritiker der SZ jedenfalls fand: "ein einfühlsamer Film, der berührt".

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: