Seeshaupt:Von hier, für hier

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Ein Jahr nach dem Start seines Oberland-TV-Channels zieht Filmemacher Walter Steffen eine positive Bilanz

Von Benjamin Engel, Seeshaupt

Seine Isar-Flößer-Dokumentation "Fahr ma obi am Wasser" sei der meist gesehene Film der vergangenen Jahrzehnte im Tölzer Kino gewesen, sagt Walter Steffen. Das habe ihm gezeigt, wie sehr die Menschen im Oberland offensichtlich Filme über die Gegend sehen wollten. Daraufhin hat der Seeshaupter Filmemacher seine Idee entwickelt, einen Online-TV-Channel für das Oberland aufzubauen. "Wenn die Leute Interesse für die Region haben, sollten wir ihnen dafür auch etwas in Bewegtform geben", beschreibt Steffen die Ursprungsidee für sein Streaming-Portal www.olatv.de.

Knapp ein Jahr, nachdem die erste Sendung gelaufen war, ist Steffen zufrieden, wie die Zuschauer das neue Angebot annehmen. Der Filmemacher spricht von insgesamt 1,5 Millionen Views auf dem Portal. Zwischen 2000 und 20 000 Views erreiche jeder der einzelnen Beiträge. So wie Video on Demand oder Streaming-Dienste generell gefragt seien, werde auch sein Portal wachsen, ist er sich sicher. Es sei wichtig, über und für die Menschen der Region zu berichten. "Ich bin überzeugt, dass das in ein, zwei Jahren groß wird."

So sehr Steffen mit den Zuschauerzahlen auf der Plattform zufrieden ist, so würde er sich doch wünschen, dass ihn Unternehmen, Wirtschafts- und Tourismusverbände oder Kommunen noch mehr finanziell unterstützten. Für sie könne OLAtv als Kommunikationskanal dienen. "Wir sind ohne jede finanzielle Basis gestartet", sagt Steffen. Das bedeutet, dass er das Projekt mit seinem Filmpartner Steffen Mühlstein aus eigener Tasche finanziert hat. Trotzdem sind alle Beiträge auf OLAtv kostenlos zu sehen. Für die Sparte "Film & Serie" könnte sich Steffen künftig aber durchaus ein Monatsabo zum Preis von um die 3,50 Euro vorstellen. So ließen sich etwa regionale Filmemacher unterstützen, die dem digitalen Portal die Sendelizenzen überließen.

Im Programm ist auf dem Portal eine Mischung aus Filmbeiträgen zu kulturellen und sozialen Themen. Zu dessen 90. Geburtstag hat Steffen den Holocaust-Überlebenden Stephen Nasser porträtiert, der 66-Jährige hat aber auch schon das Impfzentrum in Wolfratshausen vorgestellt. Vor Weihnachten war aber etwa auch ein Video-Adventskalender mit Gedichten, literarischen Texten, Liedern oder Gedanken von Künstlern und Kreativen aus dem Oberland zu sehen.

Aus diesem Milieu stammen auch die Protagonisten für das neue Dokumentarfilmprojekt "Mein Daheim im Oberland". In der Webserie folgt die Kamera immer einen Tag lang jeweils einer Persönlichkeit durch ihren Heimatort. Die Hauptcharaktere führen in den jeweils 15 Minuten langen Folgen zu besonderen Plätzen, berichten von prägenden Ereignissen und treffen Menschen, die ihnen wichtig sind. So sollen bewusst subjektive Ortsporträts entstehen. Wohin die Künstler und Kulturschaffenden Steffen führen, worüber und mit wem sie sprechen, will Steffen sie selbst entscheiden lassen. "Der Moment ist das Wichtigste", sagt er. Wo Augenblicke wahrhaftiger Intensität entstünden, werde es spannend. Daher könnten die Protagonisten sich auch spontan jederzeit für neue Inhalte entscheiden. "Ich lasse mich überraschen", sagt Steffen.

Wer mitmachen wird, steht schon in einem 63 Seiten langen Konzept- und Montagebuch. Anatol Regnier - Schriftsteller und Enkel Frank Wedekinds - wird beispielsweise durch Ambach führen. Die Betreiberin der Geltinger Kleinkunstbühne Hinterhalt, Assunta Tammelleo, führt den Zuschauer durch Geretsried. Schriftsteller Gerd Holzheimer zeigt sein Gauting. Zu den Protagonisten zählen ebenso Pater Karl Geißinger, Gründer des Zentrums für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern, oder der Weßlinger Lyriker, Herausgeber und Verleger Anton G. Leitner. Am Weßlinger See könnte die Folge etwa zum früheren Haus des Nazi-Kulturfunktionärs Richard Klein führen. Denn es gehe nicht darum, nur eine heile Welt zu zeigen, sagt Steffen. Habe der Ort für den Protagonisten Brüche, sollte dies auch herausgearbeitet werden, so der Filmemacher.

Zu den Protagonisten zählt aber auch Josef "Beppo" Schlickenrieder. Der frühere Eishockeyspieler hat in seinem Heimatort Reichersbeuern eine Druckerei. Er ist Kommandeur der örtlichen Gebirgsschützen, bei der Feuerwehr und im Sportverein aktiv. Schlickenrieder pflege damit eine die dörflichen Strukturen prägende Kultur, sagt Steffen.

Bislang ist keine der zunächst geplanten zwölf Webserien-Folgen abgedreht worden. Die Corona-Pandemie hat den Drehbeginn verzögert. Steffen hofft aber, von April an loslegen zu können. Geplant sind für das Kino jeweils zwei 90 Minuten lange Filme. Für zwei Wochen sollen sie jeweils im Kino laufen. "Mir geht es darum, die Kinos zu unterstützen", sagt Steffen. Diese wichtigen Kulturorte, die in der Pandemie auf der Kippe stünden, gelte es zu unterstützen. Anschließend sollen die einzelnen Folgen wöchentlich auf OLAtv zu sehen sein.

© SZ vom 22.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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