Seeshaupt:Swinging Gypsy

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Das Joscho Stephan Quartett begeistert in Seeshaupt

Von Peter Haacke, Seeshaupt

Er entstamme keiner Musikerfamilie aus dem Umfeld der Sinti und Roma, hebt er in seiner Vita hervor. Joscho Stephan will wohl damit sagen, dass, obgleich sein Großvater Roma war, er das Gitarrenspiel nicht in die Wiege gelegt bekam. Auch wenn sein Vater Günther Stephan ebenfalls Gitarrist ist, sich im Quartett seines Sohnes allerdings ausschließlich auf die Rhythmusgitarre beschränkt. Dennoch scheint Joscho Stephan, als Moderator ein gewandter Comedian, das Gefühl für den Gypsy offenbar im Blut zu haben. Was er beim 6. Seejazz-Festival im vollbesetzten Saal der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt an Gitarrenvirtuosität und Einfühlungsvermögen darbot, ließ jedenfalls an Authentizität nichts vermissen. Aber auch sein Vater demonstrierte mit seiner Daumenschlagtechnik höchste Meisterschaft in traditioneller Spielweise.

Zur Stammbesetzung des Mönchengladbacher Ensembles gehört auch Volker Kamp, der seinen Walking-Bass überaus klangrund ausspielte und viel Sorgfalt in die warme Substanz seines Kontrabasses hineinlegte. Den Gypsy-Sound machte die Geige von Sebastian Reimann perfekt, der 2002 zum Ensemble gestoßen ist. Zwar hatte sich die Truppe mit "Gypsy meets Klezmer" angekündigt, doch letztendlich standen Django Reinhardt, Stéphane Grappelli, ja der Gypsy-Swing generell im Mittelpunkt des Programms, neben Standards und Eigenkompositionen - abgesehen von Mozarts "Alla turca". Titel wie "Artillerie Lourde", "After You've gone", "Blue drag" oder "Bossa dorado" rissen mächtig mit - swingend, bisweilen bluesig groovend oder als Latin melancholisch sinnierend.

Es wurde weitgehend ein Abend der Klassiker, der mit "I can't give You anything but Love" zur Eröffnung aber versprach, dass es in den Interpretationen schon ordentlich zur Sache gehen würde. Vor allem in den Soli von Joscho Stephan, der bei der Themenvorstellung jeweils die lässig lockere Spielart wahrte. In den Soli verdichtete sich aber allmählich sein Duktus und wurde in dramaturgischen Verläufen zunehmend rasanter, virtuoser und brillanter. Der gnadenlose Motor von Kamp und dem unermüdlich schrubbenden Günther Stephan lieferte dem den entsprechenden Antrieb und typisch packenden Drive. Reimann nutzte indes diese tektonische Unterlage, um schon mal mit lyrischeren Linien darüber zu schweben und seine nicht minder virtuosen Soli weitschweifend auszubreiten.

Von besonderem Reiz zeigten sich die reinen Flageolett-Soli von Joscho Stephan, aber auch klanglich schimmernde Unisono-Passagen mit Reimanns Violine. Wohltuend im Programm kamen die einfühlsamen Balladen wie "Ballade pour Django", "Swing with me" oder "Nuages" rüber. Begeistertes und amüsiertes Publikum und zwei Zugaben.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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