Seeshaupt:Facettenreiches Vereinsleben

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Der vierte Band der "Seeshaupter Ansammlungen" ist erschienen

Von Katja Sebald, Seeshaupt

Hat man, immer noch staunend, die letzte Seite umgeblättert, dann möchte man am liebsten sofort den Möbelwagen bestellen und an die Südspitze des Sees ziehen. In Seeshaupt, so scheint es, ist die Welt noch in Ordnung: "Vereint im Verein. Wo das Dorfleben zu Hause ist" heißt der jetzt erschienene vierte Band der "Seeshaupter Ansammlungen". Die höchst ambitionierte, von einer Bürgerstiftung herausgegebene Buchreihe stellt seit einigen Jahren Geschichte und Gegenwart von Seeshaupt mit seinen Ortsteilen unter jeweils unterschiedlichen Aspekten dar und beleuchtet jetzt wie in einem Kaleidoskop das facettenreiche Vereinsleben der südlichsten Seegemeinde.

Die 1873 gegründete "Soldaten- und Kriegerkameradschaft Seeshaupt" ist der älteste unter den Seeshaupter Vereinen, er zählt immer noch fünfzig Mitglieder und hat als zweiten Vorstand einen Veteranen, der aus dem Rahmen fällt: Der US-Bürger George Neuhaus, heute in Seeshaupt verheiratet, kämpfte im Korea- und im Vietnamkrieg. Der jüngste unter den rund 40 Vereinen ist der Burschenverein, der seit 2009 mit einem Osterfeuer am See Seeshaupter und Auswärtige vereint. Und der zweitjüngste ist die 2007 ins Leben gerufene "Bürgerstiftung", die neben zahlreichen sozialen und kulturellen Projekten auch eine mehrbändige Ortschronik herausgibt. Unter der Federführung von Renate und Benno von Fraunberg sowie Hildegard Graupner ist auch diesmal wieder ein veritables Buch entstanden, das unter anderem auch Aufsätze von SZ-Autoren wie Hans Kratzer, Hermann Unterstöger, Holger Gertz und Wolfgang Roth versammelt, und bei Weitem nicht nur für Seeshaupter interessant sein dürfte.

Vor allem aber erzählt dieser Band von Menschen, die das Dorfleben ausmachten und immer noch ausmachen: von Schützen, Trachtlern, Musikanten, Feuerwehrlern und Sanitätern. In wundersamen Anekdoten und mit viel historischem Bildmaterial werden noch einmal die umtriebigen Seeshaupter lebendig, die sich im Jahr 1903 zum Zwecke eines "wöchentlichen Zusammenlegens von mindestens 50 Pfennigen, welches acht Tage vor Weihnachten als Ersparnis wieder an die Mitglieder ausbezahlt wird", zusammentaten. Das Erstaunlichste an diesem "Seeshaupter Sparverein" ist wohl die Tatsache, dass er bis heute besteht und immerhin noch 38 Mitglieder zählt, in vielen Familien gehört die Mitgliedschaft zur Tradition. Lebendig wird auch noch einmal die Pfarrköchin Anna Habereder, die sich beim BRK-Ortsverein engagierte und als "Schwester Anni" in die Seeshaupter Geschichte einging: Sie kümmerte sich um schlesische Flüchtlinge und um die KZ-Häftlinge, die im April 1945 am Seeshaupter Bahnhof aus einem Güterzug befreit wurden. Später strickte sie für die Kinder armer Leute und organisierte die Schulspeisung. In Seeshaupt gibt es aber auch moderne Vereine wie die von einem Elternverein getragene Kinderbetreuungseinrichtung oder einen Computerclub. Und natürlich auch einen Chor, eine Theatergruppe und einen Kulturkreis, einen Obst- und Gartenbauverein und einen Imkerverein, einen Sportverein mit vielen verschiedenen Abteilungen und sogar die "Seelöwen Seeshaupt", einen Fanclub für den TSV 1860.

Der dörfliche Zusammenhalt wird offensichtlich auch heute noch von den Vereinen getragen. Und so stellt auch Hans Kratzer in seinem Aufsatz fest: "Im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Regionalität, zwischen Tradition und Fortschritt sind es vor allem die Vereine, die dafür sorgen, dass sich die Bindung der Menschen an ihre angestammte Lebenswelt nicht auflöst. Sie stiften lokale Identität."

Das Buch ist im Rathaus, bei Schreibwaren Brückner und über die Seeshaupter Bürgerstiftung www.buergerstiftung-seeshaupt.de erhältlich.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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