Für den traditionellen ukrainischen Gemüseeintopf gibt es viele Rezepte, aber - darin sind sich die Frauen einig - in einen richtigen Borschtsch gehören als Basis zwingend Rote Bete, Zwiebeln, Karotten, Kohl und Kartoffeln. Zum Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine vor zwei Jahren hatten Ukrainerinnen, die in der Gemeinde Seefeld Aufnahme gefunden hatten, als Dank in der Hechendorfer Nachbarschaftshilfe ihr Nationalgericht zubereitet. Etwa 100 Gäste ließen sich die traditionelle rote Gemüsesuppe schmecken.
Oksana steht am Herd und holt mit der Schöpfkelle Rindfleischstücke aus der Brühe, die als Basis für die Suppe dient. Das Fleisch wird später klein geschnitten wieder in den Eintopf gegeben. Oft hätte sie daheim Borschtsch gegessen. Vor allem in der Fastenzeit sei er ohne das Fleisch eine passende Speise, erklärt sie und greift dann nach einer von den vielen Kartoffeln, die noch geschält werden müssen. Dabei gibt es das einzig wahre Borschtsch-Rezept nicht. Es existieren unzählige Varianten.
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Manche geben noch Tomaten, Bohnen oder Paprikaschoten hinein oder bereiten ihn als Fischsuppe zu, weiß Oksana. Borschtsch sei ein richtiges Alltagsessen bei ihr zu Hause in Kiew gewesen, so Hanna und erzählt: "Wir hätten nicht gedacht, dass der Krieg so lange dauert." Vor zwei Jahren ist sie mit ihrem heute achtjährigen Sohn David nach Seefeld gezogen. Damals hatte sie von ihrem Fenster aus die Explosionen sehen können.
"Wir haben zu Hause fast täglich Borschtsch gegessen", erzählt Natalie. Die Juristin ist vor zwei Jahren gekommen, hat sich in Wörthsee ein neues Leben aufgebaut und arbeitet jetzt bei der Seefelder Firma 3M. Vor ihr liegt ein Brettchen mit Petersilie, die klein gehackt wird. "Petrushka" heißt das Kraut auf Ukrainisch und der Dill, der anschließend über die Suppe gestreut wird, heißt "Krip". In der alten Heimat habe sie am Anfang der Woche für sich und ihren mittlerweile 16-jährigen Sohn einen großen Topf voll Borschtsch gekocht. Mit dem Aufwärmen werde das Gericht schließlich immer besser, weiß sie.
Der ukrainische Borschtsch ist übrigens von der Unesco 2022 ins Immaterielle Kulturerbe aufgenommen worden. Seit Jahrhunderten wird der Eintopf im gesamten Land zubereitet. "In den unzähligen Rezepten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, spiegeln sich regionale Besonderheiten und lokale Traditionen der Ukraine", hieß es in der Bewerbung. Es soll ihn bereits seit dem Mittelalter geben. 1718 wurde der Borschtsch laut Quellenlage erstmals im ostukrainischen Charkiw erwähnt.
Während die Suppe kocht, schreibt Hanna am Tisch Dankeskarten: "Den Freund erkennt man in der Not", steht darauf und: "Vielen Dank für unsere Sicherheit". Aber auch: "Wer aushält, bleibt Sieger" und "Freiheit ist wertvoller als das Leben". Sie hatte in der ukrainischen Niederlassung der Seefelder Firma 3M als Ingenieurin in verantwortungsvoller Position gearbeitet und konnte ihre Tätigkeit in Seefeld weiterführen. In Seefeld hat sie sich gut eingelebt, hat ein hübsches Zuhause, Freunde - und trotzdem vermisst sie ihr altes Leben in der Ukraine mit der Familie, den Freunden, den bekannten Orten. Traurig mache sie die Gewissheit, dass es in ihrer Heimat auch nach einem Kriegsende niemals wieder so wie vorher sein werde und auch die Menschen würden sich verändert haben.
Oksana steht mittlerweile am Herd und überwacht den riesigen Topf, in den die klein geschnittenen Gemüsesorten hineingeworfen werden. Sie stammt aus Kiew. Vor zwei Jahren ist sie ins Fünfseenland gekommen, wo sie bei einer Familie herzlich aufgenommen wurde. Diese hat die gelernte Softwareentwicklerin, die daheim in der Ukraine in einem Zentrum für behinderte Kinder gearbeitet hatte, als Betreuerin in den Waldkindergarten vermittelt. "Es gefällt mir dort sehr gut", erklärt Oksana. Die Tochter mit den drei Enkelkindern sieht sie selten, diese wohnt in der Türkei. Wenigstens sei ihr Mann endlich nachgekommen.
Die langen Tische, die Katharina Braun von der Nachbarschaftshilfe mit Blumen geschmückt hat, füllen sich langsam. Bei der Menge braucht es aber schon seine Zeit, bis die Suppe fertig ist. Ein Teil davon wird vor der Türe in einen Feuerkessel geschüttet. Bald brodelt es malerisch über den Flammen. Eine Frau bringt eine Schüssel mit gebratenen Schweinerippchen, die als Fleischeinlage der Suppe zugefügt werden, eine andere verteilt Sauerrahm und Dill auf den Tellern. Wer es deftiger möchte, kann sich einen der kleinen Speckwürfel nehmen, die Olga auf Zahnstocher aufgespießt hat.
Es gibt auch Musik. Ricardo Volkert, Bernhard Seidel, der ukrainische Geiger Aleksander Rudyk und sein Sohn spielen aus dem neuen Programm "Songs of Love and Peace". Volkert plant die Premiere der Gruppe, in der er zu siebt und mit weiteren ukrainischen Musikern spielen wird, für Mitte April.
Vegetarischer Borschtsch als Gericht für die Fastenzeit
Zutaten: 2 große Rote Bete; 2 Kartoffeln; 1 große Zwiebel; 2 Karotten; 2 Knoblauchzehen; 1/4 Kohlkopf, gehackt; 1 Liter Brühe; 2 Lorbeerblätter; 2 Esslöffel Tomatenmark; Salz und Pfeffer nach Geschmack; Sauerrahm; frischer Dill
Anleitung: In einem großen Topf etwas Öl erhitzen und die klein geschnittenen Zwiebeln darin glasig dünsten. Das gewürfelte oder in Streifen geschnittene Gemüse und die Lorbeerblätter hinzufügen. Mit Brühe aufgießen, Tomatenmark dazugeben. Zum Kochen bringen und dann den Borschtsch etwa 30-40 Minuten köcheln lassen, bis das Gemüse weich ist. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Heiß servieren und mit einem Klecks Sauerrahm sowie gehacktem Dill garnieren, dazu Brot reichen.