Schwangerschaft:"Es wird niemand zum Kind überredet"

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Maria Wilnauer (links) und Fehime Lendlmaier arbeiten beide bei der Schwangerschaftsberatung. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Gilchinger Beratungsstelle der Diakonie Oberbayern-West gibt es bereits seit 20 Jahren. Sie unterstützt, informiert, klärt auf. Während der Pandemie hatten die Sozialpädagoginnen besonders viel zu tun

Von Patrizia Steipe, Gilching

Die Sozialpädagoginnen der Schwangerschaftsberatung unterstützen bei Problemen rund um die Schwangerschaft, informieren über Mutterschutz oder Elternzeit, klären Jugendliche über Verhütungsmethoden auf und stehen mit Tipps parat, falls ein Baby dauernd schreit. Seit 20 Jahren gibt es die Einrichtung der Diakonie Oberbayern-West in Gilching mit ihren Außenstellen in Herrsching, Dießen, Gröbenzell, Puchheim und Karlsfeld. Die Beratungsstelle ist für die vier Landkreise Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau und Landsberg zuständig. Sie ist staatlich anerkannt und wird vom Staat finanziert.

Der Großteil der Beratungen, nämlich 51 Prozent, drehte sich im vergangenen Jahr um allgemeine Fragen rund um die Schwangerschaft, so Mitarbeiterin Maria Wilnauer. 21 Prozent der Klientinnen und Klienten wollten eine Begleitung nach einer Geburt. Sie hatten Fragen zum Umgang mit Babys, zu Sexualität und dazu, wie man als Paar in Verbindung bleiben könne. 16 Prozent der Ratsuchenden kamen zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Dabei ging es um Schwangerschaftsabbrüche. Die Beraterinnen bemühen sich in solchen Gesprächen, dass sich die Frauen über ihre eigenen Wünsche klar werden, und zeigen Perspektiven auf, wie das Leben weitergehen kann, egal wie sich die Frau entscheidet. "Es wird niemand zum Kind überredet", versichert Wilnauer. Als häufigste Gründe, weshalb Frauen an einen Abbruch denken, nennt sie psychische und physische Überforderung und die Angst vor Verantwortung.

Ihre ersten Räume hatte die Schwangerschaftsberatung 2001 im Gilchinger Gewerbegebiet bezogen. 2006 ist sie in die Römerstraße 33 umgezogen. "Dort liegt die Beratungsstelle zentraler und ist besser zu erreichen", sagt Wilnauer. In den hellen Räumen gibt es drei Beratungsräume, einen Gruppenraum und ein Büro. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich einiges geändert. Vor allem seit 2009 das Elterngeld eingeführt wurde. "Dadurch können Beruf und Familie leichter vereinbart werden", freut sich Sozialpädagogin Fehime Lendlmaier. "Gut ausgebildete Frauen entscheiden sich leichter für ein Kind". Zugenommen hat die Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch. Oft werde das "Projekt Kind" von Paaren erst angegangen, wenn die Fruchtbarkeit von Frauen bereits abgenommen habe.

In der Pandemie wurde die Beratungsstelle häufiger als sonst kontaktiert. "Wir hatten 323 Beratungen und 76 Ratsuchende mehr", so Wilnauer. Insgesamt gab es 1315 Kontakte zur Beratungsstelle. Die Beraterinnen unterstehen der Schweigepflicht. Das erleichtert es den Hilfesuchenden sich bei sensiblen Themen zu öffnen. Gerade der Jahreswechsel sei eine Zeit des Umbruchs. "Da passiert viel", so Lendlmaier. Für akute Probleme halte sie deswegen immer ein paar "Nottermine" ohne Wartezeit frei. "Manchmal höre ich einfach nur zu und versuche Zuversicht und Hoffnung zu geben", erklärt sie. Oft würde das bereits Zuversicht geben. "Ich habe schon oft erlebt, dass danach Menschen in einer Krisensituation mit einem Wir-schaffen-das-Gefühl aus der Beratung gegangen sind". Vor allem bei der ersten Schwangerschaft besteht häufig Beratungsbedarf. Das reicht von der Frage, wie finanzielle Unterstützungen beantragt werden kann, über die Art und Weise, wie Elternschaft gestaltet werden soll bis zu Fragen zur Kinderbetreuung oder welcher Elternteil daheim beim Kind bleibt. Für diesen Themenkomplex werden - derzeit auch virtuelle- Informationsabende angeboten, die immer mehr von Vätern besucht werden. Diese wenden sich außerdem an die Beratungsstelle, wenn es um Trennung und Sorgerecht geht. Überhaupt nimmt die Zahl ratsuchender Männer in der Beratungsstelle zu, aber auch die von Hilfesuchenden mit Sprachproblemen, denn viele Helferkreise verweisen Frauen aus Gemeinschaftsunterkünften an die Beratungsstelle.

Die Beraterinnen kommen auch an Schulen, um mit Jugendlichen über Themen rund um die Sexualität zu sprechen. Im Grunde seien die Fragen heute die gleichen, die junge Menschen früher auch hatten. Sie betreffen Liebe, Körperfunktionen und Verhütung. "Wir merken aber, dass bei den Kindern eine größere Verunsicherung durch die sozialen Medien herrscht. Da schwirrt dann allerhand in den Köpfen herum, das klargestellt werden muss", so Wilnauer. In Notfällen hilft sie mit Spendengeldern unbürokratisch, beispielsweise wenn Windeln, Lebensmittel oder ein Winterfellsack benötigt werden.

Die Diakonie Oberbayern West betreibt zahlreiche Einrichtungen mit über 500 festangestellten Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen. Sie ist ein eingetragener Verein, Mitglied im Diakonischen Werk Bayern und dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen.

© SZ vom 04.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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