Schüler kochen:Bratäpfel statt Mathe-Unterricht

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Die Schülerfirma "Teamköche" in der Fünfseen-Schule verköstigt immer dienstags Kameraden und Lehrer

Von Ute Pröttel, Starnberg

Jeden Dienstag zieht ein köstlicher Duft durch das offen gestaltete Schulgebäude. Diesmal riecht es nach Mandelhörnchen, Bratapfel und Pizzatoast. "Der Duft ist unsere beste Werbung", erzählt Marita Seefelder. Sie ist die Chefin. Die Firmenchefin der Schülerfirma "Teamköche" in der Starnberger Fünfseen-Schule. Und in der Tat: Zur Pause kurz nach elf Uhr drängen sich die Schüler um den Servierwagen, den Lena, Jasmin und Jon in den Pausenhof gerollert haben. In Windeseile sind alle Pizzatoasts weg. Zum Glück gibt es auch noch Mandelhörnchen und Lebkuchen. Einmal in der Woche kochen die Teamköche für Schüler und Lehrer.

Nur an diesem Tag gibt es einen Pausenverkauf in der Sonderpädagogischen Schule. Das ist für alle Schüler etwas Besonderes. Eine Handvoll Kinder, die nicht in der Ganztagesbetreuung sind, haben das Essen jeden Dienstag abonniert. Ebenso wie ein Großteil der Lehrerschaft. Für die Schüler wird der Tisch in der Aula gedeckt. Die Lehrer bekommen ihr Mittagessen von den Teamköchen auf dem Tablett gebracht. Doch bis zur Auslieferung sind die Teamköche erst mal ziemlich beschäftigt.

Ediz war morgens mit Marita Seefelder beim Einkaufen. Lena und Jasmin haben da schon die erste Schicht in der Schülerküche geschoben und den Teig für die Mandelhörnchen vorbereitet. An drei Küchenzeilen können die Schüler arbeiten. Jede ist mit Spülbecken, Kochfeld und Ofen und ausreichend Arbeitsfläche ausgestattet. Weniger Großküche als Familienküche. An den anderen Tagen der Woche findet hier der Hauswirtschaftsunterricht statt.

Maximal zehn Köche nimmt Marita Seefelder pro Schuljahr auf. Die Schüler müssen sich bewerben, bekommen nach einer Probezeit einen Arbeitsvertrag und verschiedene Funktionen zugewiesen. Das Projekt läuft seit dem Schuljahr 2007/08. "Den Ausschlag zur Gründung einer Catering-Schülerfirma gab mir ein Schüler, der sehr große Schwierigkeiten hatte, am Regelunterricht teilzunehmen. Er störte häufig den Unterricht, hatte wegen seines Verhaltens und seiner schlechten Leistungen kaum Erfolgserlebnisse. Im praktischen Unterricht war er erfolgreich und aktiv und arbeitete weitgehend störungsfrei," erklärt Seefelder.

Die Fünfseen-Schule ist spezialisiert auf die Förderung verhaltensauffälliger und lernbehinderter Schüler. Sie ist das einzige Förderzentrum im Landkreis Starnberg mit den Schwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung. Die Fachlehrerin für Ernährung und Gestaltung arbeitete also ein Konzept aus und erhielt von der Schulleitung grünes Licht. Der pädagogische Gedanke dahinter war es, den Schülern eine Möglichkeit zu geben, praktische Erfahrung zu sammeln, und sich durch den Einblick in den Firmenablauf beruflich orientieren können. Zum Projekt gehört auch die wöchentliche Abrechnung und Buchhaltung, sowie das Hochrechnen der Rezepte und die Vorbereitung des Einkaufzettels für die kommende Woche.

Außer dienstags kochen die Teamköche auch für Schulveranstaltungen, wie kürzlich bei dem Konzert von Ludwig Seuss. Dann gibt es sogar eine kleine Bezahlung. Das spornt natürlich an. Ihren bisher größten Auftrag hatten sie im letzten Jahr zur Verleihung des Gütesiegels "Bildungsregion in Bayern". Das Büffet zum Festakt im Landratsamt stammte komplett aus der Schülerküche. "Das war für die Schüler eine große Anerkennung", erzählt Seefelder. Sie wurden von Landrat Roth und Bildungsminister Spaenle dafür gelobt.

Einige ihrer Schüler hat das Projekt dazu ermutigt, nach der Schule in der Gastronomie Fuß zu fassen. So wie Ludwig. Der 22-Jährige hat nach dem Abschluss eine Lehre als Koch gemacht und arbeitet heute in der Vorstandskantine eines Münchner Dax-Unternehmens. Ab und zu schaut er dienstags vorbei. Er sagt, die Schülerfirma habe seine Leidenschaft für das Kochen erst geweckt.

Als Ediz und Marita Seefelder mit den Einkäufen zurück sind, geht es ans Eingemachte. Jon und Marlon sind für die Bratäpfel zuständig. Sie stechen einen Apfel nach dem anderen aus, bereiten die Füllung aus Aprikosenmarmelade und Mandelsplittern vor und rühren eine große Schüssel Vanillesauce an.

Ediz schnippelt Paprika und Tomaten für den Pizzatoast, während Jasmin und Lena geduldig ein Mandelhörnchen nach dem anderen rollen. Als sie damit fertig sind, legen sie die roten Kochschürzen ab und kehren in ihre Klassen zurück. Den Unterricht, den sie während der Schülerfirma verpassen, müssen die Teamköche selbständig nachholen. Das klappt dank kooperativer Kollegen und motivierter Schüler, so Seefelder, sonst wäre das Projekt schon längst eingestellt.

Gegen halb elf wird es lebhaft in der Küche. Jon schiebt die gefüllten Bratäpfel ins Rohr und glasiert noch die Lebkuchen, die von letzter Woche übrig sind. Er will auch nach der Schule eine Kochlehre machen. Einen Ofen weiter backen die Mandelhörnchen. Nun stoßen Sarah, Tikili und Carolin dazu. Sarah und die schüchterne Tikili belegen zusammen die Pizzatoast. Erst bestreichen sie die Toasts mit Tomatenmark, dann organisiert Sarah das Belegen in Arbeitsteilung. "Ich verteile die Salami, du die Paprika und Tomaten," sagt sie zu Tikili. Zwei Toasts, auf denen fälschlicherweise schon Paprika gelandet ist, aber keine Salami, lädt sie schwungvoll um. Danach folgen noch Champignons, Oregano und zu guter Letzt eine Scheibe Käse. Die Toasts dürfen erst kurz vor der Pause in den Ofen, damit sie noch warm sind.

Carolin deckt einstweilen den Tisch für ihre Mitschüler. Ein herrlicher Duft zieht durch die Schulküche. Die Bratäpfel sind fertig und werden zusammen mit den Schüsseln, in denen sie später serviert werden, warm gestellt. Auch die Mandelhörnchen müssen jetzt raus dem Ofen, denn Sarah benötigt die beiden Backrohre für die Pizzatoasts. Als der Käse herrlich zerläuft, helfen alle Anwesenden mit, die fünf Bleche Toasts mit den angewärmten Oberdeckeln abzudecken, in appetitliche Dreiecke zu schneiden und auf verschiedene Platten für Pausenverkauf und Essensausgabe zu stapeln. Lena, Jasmin und Jon übernehmen den Pausenverkauf. Lorena und Vanessa, die beiden Ältesten aus der Abschlussklasse, kümmern sich um das Essen für die Lehrer. Sie müssen auch später noch die Abrechnung und Vorbereitung des Einkaufszettels für die nächste Woche übernehmen. Da stehen Gemüsesuppe, Wiener im Schlafrock und Weihnachtsplätzchen auf dem Speiseplan.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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