Kompromiss zur Erinnerung an die NS-Zeit:Denkmal wird Mahnmal

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Das Denkmal für Hans Pfitzner aus dem Jahr 1999 soll ein Mahnmal werden. (Foto: Nila Thiel)

Die Gemeinde Schondorf einigt sich auf eine Lösung für die umstrittene Würdigung des Komponisten, bekennenden Nationalsozialisten und Antisemiten Hans Pfitzner

Von Renate Greil, Schondorf

Recht prominent steht in den Schondorfer Seeanlagen seit 1999 ein Denkmal zu Ehren des Komponisten Hans Pfitzner (1869 bis 1949), das wegen antisemitischer und nationalsozialistischer Äußerungen Pfitzners jedoch umstritten ist. Auch eine Straße wurde in Schondorf nach Pfitzner benannt, der Komponist lebte von 1919 an zehn Jahre lang in Unterschondorf. Schon mehrmals war über Verbleib und Bewertung von Denkmal und Straßennamen eine Diskussion angeregt worden, der Ausschuss für Kultur und Veranstaltungen debattierte wiederholt über Entfernen, Umgestalten oder Umbenennen. In der jüngsten Sitzung des Schondorfer Gemeinderates folgte man nun der mehrheitlichen Empfehlung des Ausschusses, das Denkmal nicht spurlos zu entfernen, sondern zu modifizieren oder neu zu fassen. Es soll deutlich werden, dass der Gemeinderat sich klar von Pfitzners antisemitischen und nationalsozialistischen Äußerungen sowie seiner nationalsozialistischen Gesinnung distanziert. Pfitzner war von den Nationalsozialisten als einer der drei "wichtigsten deutschen Komponisten" in die "Gottbegnadeten-Liste" aufgenommen worden. Als sein bedeutendstes Werk gilt die Oper "Palestrina", in seiner Schondorfer Zeit entstanden einige Kompositionen.

Die Person Hans Pfitzner, der in der Nazi-Zeit zu den "Gottbegnadeten" zählte, bewerten Historikern mittlerweile anders

Bürgermeister Alexander Herrmann (Grüne) betonte, dass es ihm darum gehe, dass aus dem Denkmal ein Mahnmal wird. Er hatte dazu einen Vorschlag für eine Metalltafel, die sich an den Tafeln des jetzigen Denkmals orientiert. Dieses besteht aus einer breiteren und einer schmäleren Metalltafel, die unter anderem eine Notenschrift und das Portrait Pfitzners zeigen. Inzwischen sind einige Buchstaben abgefallen, das Denkmal bedarf der Restaurierung. Gestaltet hat es seinerzeit der Schondorfer Kunsterzieher Walter Mayer. Wie Helga Gall (Grüne) zur Historie erklärte, gab es damals in Schondorf eine Gruppe Musiker, die die Kompositionen Pfitzners spielte. "Das Denkmal hat die falsche Zielsetzung", meinte Rainer Jünger (CSU), da die Person Pfitzner, nicht aber seine Musik in den Mittelpunkt gestellt wurde. Andere plädierten dafür, die Vergangenheit nicht auszuradieren, sondern mit Informationen zu ergänzen. Für eine komplette Entfernung des Denkmales und das Aufstellen einer Informationstafel in der Seeanlage oder anderswo, sprach sich auch Helga Gall aus. Das inzwischen die Person Hans Pfitzner von Historikern anders bewertet werde, daran erinnerte Stefanie Windhausen-Grellmann (Grüne). Deshalb könne man jetzt auch zu einer anderen Entscheidung kommen und das Denkmal entfernen und stattdessen dort das neue Mahnmal aufstellen.

Die Umgestaltung der Metalltafeln in den Seeanlagen findet nur eine knappe Mehrheit

"Wir sollten alles so lassen wie es ist", schlug dagegen Franziska Königl (FW) vor, die sich nach eigenem Bekunden zur Meinung der Schondorferinnen und Schondorfer umgehört hatte. Den Gedanken, das Denkmal "für einen glühenden Nationalsozialisten" in ein Mahnmal umzubauen, griff Simon Springer (CSU) auf. Er spann die Bemerkung von Wolfgang Schraml (FW) weiter, der in den beiden durch einen Spalt getrennten und auf der Innenseite gewellten Metalltafeln einen Hinweis auf eine Zerrissenheit des Musikers sah. Springer schlug vor, dies aufzunehmen, die linke Tafel zu belassen und die rechte Tafel neu mit einem Text als Mahnmal zu gestalten. Damit distanziere sich der Gemeinderat Schondorf von "Pfitzners antisemitischen und nationalsozialistischen Äußerungen sowie seiner nationalsozialistischen Gesinnung" und verurteile jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Der Text endet mit dem Satz: "Die Geschichte in ihrer Gesamtheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und davor zu warnen, sich als Nutznießer von totalitären Systemen vereinnahmen zu lassen, ist Absicht dieser Tafel". Letztlich fand diese von Springer vorgeschlagenen Umgestaltung in ein Mahnmal eine knappe Mehrheit mit acht zu sieben Stimmen - vorausgesetzt, der Künstler stimmt dem zu.

Der Straßenname bleibt, die Schilder sollen durch eine erklärende Tafel ergänzt werden

Ebenfalls beraten wurde die Frage, ob die Pfitzner-Straße weiterhin diesen Namen tragen sollte. Zu diesem Thema waren viele Briefe von Anwohnern eingegangen, die sich gegen eine Umbenennung aussprachen. "Es geht uns alle an", meinte dagegen Marius Polter (Grüne) und schlug ein Ratsbegehren zeitgleich zur Landtagswahl im nächsten Jahr vor. Den Straßennamen zu behalten, hielten einige Gemeinderäte für nicht mehr vertretbar. Weder Ratsbegehren noch Umbenennung fanden jedoch eine Mehrheit. Den Anwohnern der Pfitzner-Straße indes bleibt viel Arbeit erspart. Mit einer Gegenstimme einigte man sich aber auf einen Kompromiss: Unter dem Straßennamen soll eine erklärende Tafel und ein QR-Code angebracht werden, der zu einer Informationsseite auf der Homepage der Gemeinde führt. Auch in Google-Maps soll ein entsprechender Pin erstellt werden, damit der Straßenname für Suchende nicht unkommentiert bleibt.

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