"Reichsbürger":Querulanten und Staatsverweigerer

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Auf Weisung des Innenministers stehen "Reichsbürger" und "Germaniten" auch in Starnberg unter Beobachtung

Von C. Deussing, B. Mamer, Starnberg

Nach den tödlichen Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers auf einen Polizisten im Oktober in Mittelfranken ist auch das Landratsamt Starnberg alarmiert. Wie sämtliche anderen Landkreise in Bayern wurde es vom Innenministerium angewiesen, bis zum 18. November eine Liste von Personen zu erstellen, die den "Reichsbürgern" zuzuordnen sind. Dazu gehören auch obskure Gruppierungen wie "Germaniten" oder Anhänger des "Königreichs Deutschland" (KRD), die die Bundesrepublik und deren Gesetze ablehnen. Die Kreisbehörde hat die Gemeinden im Fünfseenland aufgefordert, entsprechende Erkenntnisse zu melden. Geprüft wird vor allem, wie extremistisch diese Personen eingestellt sind - und ob sie einen Waffenschein oder Waffen besitzen, die sie womöglich abgeben müssten.

Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, der Staatsschutz und die Gemeinde Gauting wissen zum Beispiel von einer Homepage eines Gästehauses im Ortsteil Buchendorf, die verdächtig erscheint. Denn die Mieter werden darauf hingewiesen, der "Verfassung, den Gesetzen und der Gerichtsbarkeit des KRD" zu unterliegen. Auf Anfrage der SZ äußerte sich die Betreiberin nur knapp: Sie sagte lediglich, kein Mitglied des "Königreichs Deutschland" zu sein; zudem sei der Internetvermerk eine "rein geschäftliche Sache".

"Wir nehmen diese Gruppierungen sehr ernst", sagt Kripochef Manfred Frei. Es gehe darum einzuschätzen, ob die Personen besonders aufgefallen und eventuell als gefährlich einzustufen seien. Die Erkenntnisse würden "ohne Hektik sehr intensiv und gewissenhaft gesammelt, um sich ein Lagebild zu verschaffen", erläutert der Kriminaldirektor. Es gebe aber in diesem Spektrum "sicher noch eine hohe Dunkelziffer".

Mit Querulanten und Staatsverweigerern hat auch das Amtsgericht Starnberg zu tun. Gefährdet sind vor allem Gerichtsvollzieher, deren Legitimität von "Reichsbürgern" nicht anerkannt wird. Die Mitarbeiter im Außendienst würden jetzt besonders sensibilisiert und geschult, wie mit den "Reichsbürgern und Germaniten" umzugehen sei, berichtet der Geschäftsleiter des Gerichts, Johann Aumann. Sollte sich zum Beispiel bei einer Pfändung eine "unklare Situation" ergeben, sei es besser, umgehend die Polizei einzuschalten, sagt der Rechtspflegerat. Das Amtsgericht würde zudem immer wieder Briefe, E-Mails oder Faxe von Leuten erhalten, die den Staat nicht akzeptierten und Gerichtsvollzieher als "nicht legitimiert" abwiesen.

Laut Aumann sei dieses wehrhafte Verhalten "massiv hochgekocht", als eine neue Zahlweise bei den Rundfunkgebühren (GEZ) eingeführt worden war. Da hätten sich bestimmte Personen geweigert, die Gebühren zu begleichen. Das Amtsgericht hat vor Kurzem praktische Anweisungen vom Justizministerium erhalten, wie man mit "typischen Störstrategien" und Bedrohungen von sogenannten Reichsbürgern umgehen könne und wie "Kollegen vor Ort bestmöglich zu schützen" seien. Justizminister Winfried Bausback warnt in dem Schreiben davor, dass pseudojuristische Ausführungen dieser Bürger, "im Einzelfall auch in offene Aggression bis hin zur Gewalt gegen die Repräsentanten von Behörden und Gerichten umschlagen" könnten.

Verdächtig machen sich auch Einwohner, die ihren Personalausweis zurückgeben beziehungsweise nicht verlängern wollen - oder als Geburtsort das "Königreich" angeben und ihr Grundstück als "Territorium" deklarieren. Als Indizien gelten ebenso völlig haltlose und ellenlange Begründungen, die Staatsbürgerschaft zu verweigern oder Bußgelder und Steuern nicht zahlen zu wollen. Derzeit haben auch die Finanzämter wieder zunehmend mit derartigen, meist sehr umfangreichen Schreiben zu tun. Hierbei versuchten seit geraumer Zeit die sogenannten Reichsbürger die Bediensteten mit "hohen Geldforderungen beziehungsweise Schadensersatzansprüche einzuschüchtern", erklärte auf Anfrage eine Sprecherin des Bayerischen Landesamtes für Steuern. Zu beklagen sei auch der gewisse Aufwand, diese "abwegigen Auffassungen" zu beantworten und nicht selten danach die "berechtigten Steueransprüche zwangsweise beizutreiben", ergänzte die Sprecherin der Finanzbehörde.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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