Percha:Na, sauber!

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Geschäftsführer Reinhard Schmidt zeigt seine Recyclinganlagen. Seine Firma Econ Industries exportiert weltweit. (Foto: Nila Thiel)

Die Starnberger Firma "Econ Industries" liefert Recyclinganlagen für Industrieabfälle in die ganze Welt. In Bayern steht jedoch keine einzige ihrer Anlagen. Warum nur?

Von Madeleine Rieger, Starnberg

Das Zentrum der Nachhaltigkeit liegt im Schiffbauerweg 1. Schräg gegenüber der Sattler Werft, direkt am Starnberger See in Percha steht ein kastenartiges, sandfarbenes Bürogebäude. Während gegenüber Segelboote und Yachten zusammengezimmert werden, herrscht im Erdgeschoss des Bürohauses Stille. Teppichboden, Konferenzräume, weiße Wände. Der Firmensitz von "Econ Industries" ist ein unscheinbarer.

Dass hier Pioniere der nachhaltigen Beseitigung von Industriemüll sitzen, kann man nur anhand von riesigen Bildern an den Wänden erahnen. Große, bunte Anlagen sind da zu sehen. Sie reinigen Industrieabfälle und holen wichtige Ressourcen aus verschmutzten Böden zurück. Von der Bürozentrale in Percha aus steuern 20 Mitarbeiter um den Firmengründer Reinhard Schmidt die Müllaufbereitung verschiedener Industriezweige. "Weltweit gibt es keine einzige Firma, die nach dem Prinzip von Econ Industries arbeitet", sagt Schmidt. Damit haben sie hier ein Erfolgsmodell für ressourcenschonendes, energieeffizientes Recycling geschaffen, das bis nach Australien reicht.

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Absehbar war das nicht. Reinhard Schmidt, 58 Jahre alt, ist ein Mann mit rauen Händen. Er spricht leise. Der Firmengründer ist studierter Maschinenbauer, er arbeitete lange Zeit für den Werkzeughändler Mannesmann in Düsseldorf. Als sich ihm die Gelegenheit bot, in den Bereich der Umwelttechnik zu wechseln, zögerte er nicht lange. Hier kam ihm auch die Idee, Anlagen zu entwickeln, die Abfälle aus industriellen Produktionsprozessen recyclen. Eine Idee, die eigentlich recht nahe liegt. "Der Gedanke der Kreislaufwirtschaft ist in uns drinnen. Die Deutschen sind Vorbilder beim Wertstoffe sortieren", meint Schmidt. Dabei muss es nicht immer nur der Gelbe Sack sein.

Eine gemeinsame Leidenschaft brachte ihn und seine Frau nach Oberbayern: das Segeln. Zusammen nahmen sie schon an den Deutschen Meisterschaften teil. Auch Econ Industries entstand 2003 als Gemeinschaftsprojekt. "Wir waren zu Beginn ein Zwei-Mann-Unternehmen. Oder besser gesagt, ein Ein-Mann-eine-Frau-Unternehmen", sagt Geschäftsführer Schmidt schmunzelnd. Die Zeit bis 2010 sieht er als Anlaufs- und Orientierungszeit. Erst 2010, dem Jahr, in dem die Firma von Herrsching nach Percha umzog, vergrößerte sich das Team und nahm internationale Aufträge an. Schmidt spricht von einer "Initialzündung für die Entwicklung". Im Juli feierte Econ Industries 20-jähriges Bestehen.

Vor Schmidt stehen vier kleine Gläschen mit Flüssigkeiten in unterschiedlichen Farben. Eines davon ist verschmutzter Boden. Die anderen drei sind die Bestandteile, die nach dem Recycling getrennt voneinander vorliegen. Bei Herstellungsprozessen in der Industrie werden Böden und Schlämme verschmutzt. Diese Überbleibsel wurden jahrzehntelang einfach auf Deponien zwischengelagert oder in großen Anlagen verbrannt. Dabei ist nur ein kleiner Anteil verunreinigt, meistens mit Öl oder Quecksilber. Der Rest kann dann zum Beispiel als Verfüllmaterial wiederverwendet werden.

Im linken Glas befindet sich kontaminierter Schlamm. In den übrigen Gläsern sind die einzelnen Stoffe nach dem Recycling. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wie kommt man zurück zu den natürlichen Ressourcen? Es ist ein kompliziertes Verfahren, die Gläschen veranschaulichen aber, was beim Industrie-Recycling passiert: Das Konzept macht sich die unterschiedlichen Siedepunkte der einzelnen Stoffe zunutze. Durch Erhitzen verdampfen die Bestandteile erst nacheinander und sammeln sich dann als Flüssigkeiten weiter oben im Behälter. So können sie aus dem verschmutzten Schlamm herausgelöst werden. Übrig bleibt der getrocknete Schlamm-Rest. Weil zusätzlich noch der Luftdruck im Behälter verringert wird, heißen die Anlagen "Vacu Dry"- für Vakuumieren und Trocknen. "Ein kleiner Teil, den man nicht verwerten kann, bleibt natürlich immer übrig", so Schmidt. Dieser müsse dann doch verbrannt oder deponiert werden.

Mindestens ein Drittel der Industrieabfälle könnte auf diese Weise recycelt werden, sagt Schmidt. Die meisten Unternehmen verbrennen ihren Industriemüll aber weiterhin, weil sie die Anlagen dafür schon seit Jahrzehnten haben. Außerdem fehle es an gesetzlichen Vorgaben. Große Industriefirmen würden sich immer für das Verfahren entscheiden, welches für sie am wirtschaftlichsten sei, erklärt er. Sprich: am billigsten. Wenn die CO2-Steuer jedoch weiter ansteigt, wird nachhaltige Müllbeseitigung vielleicht irgendwann für die Unternehmen auch aus ökonomischer Sicht interessant. Denn: Aus einer Tonne Abfall entsteht bei Schmidts Verfahren eben nicht eine Tonne CO2.

Der Firmenchef wünscht sich mehr Technologieoffenheit in Bayern

Viele Unternehmen machen sich aber jetzt schon Gedanken um Nachhaltigkeit und Umweltschutz, hat Schmidt die Erfahrung gemacht. Und wie steht es um Greenwashing bei seinen Kunden, also ein zu Unrecht erlangtes, umweltbewusstes Images? "Das ist berechtigterweise ein großes Thema", sagt er. Seine Firma selbst sah sich dem Vorwurf noch nicht ausgesetzt. Allerdings beobachtet er, wie einige Firmen Begriffe falsch benutzen und dadurch ihre Methoden zur Müllbeseitigung verschleiern. Das ärgere ihn, denn bei Verbrennung könne man nicht verharmlosend von "thermischer Behandlung" sprechen. Viele Müllunternehmen machen das aber.

In Bayern hat die GSB Sonderabfall-Entsorgung Bayern GmbH mit Sitz im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm ein Monopol für Müllverbrennung. Jedes bayerische Unternehmen muss dort seine Industrieabfälle abliefern. Das ärgert Schmidt: Ausgerechnet in der Heimat dürfen seine Recyclinganlagen nicht verwendet werden. Dabei sind auch bayerische Böden und Schlämme stark verunreinigt. In den vergangenen Jahren führte zum Beispiel PFC, eine chemische Verbindung aus dem Inhalt von Feuerlöschern, zu großflächigen Umweltverschmutzungen.

In Bayern bisher nur im Miniaturformat: ein Vacu Dry der Firma Econ Industries. (Foto: Nila Thiel)

Von der bayerischen Landesregierung wünsche er sich deshalb mehr Technologieoffenheit und mehr Repräsentation, auch im Ausland. "Bayern hat die Wirtschaftskraft eines ganzen Landes. Dann ist es schade, wenn ein bayerischer Wirtschaftsminister keine Präsenz im In-und Ausland zeigt", kritisiert er. Den Bayerischen Exportpreis, der im Konferenzraum an der Wand hängt, hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger 2018 persönlich an Econ Industries übergeben.

Die Firma exportiert inzwischen im großen Stil. In 30 Länder schicken Schmidt und sein Team die Einzelteile ihrer Anlagen, darunter England, Saudi-Arabien, Australien. Direkt vor Ort werden diese dann zusammengebaut. Dass im vergangenen Jahr immer mehr europäische Kunden hinzukamen, freut ihn besonders. Früher habe man sich stark in Richtung China orientiert, sagt er. Durch dessen Isolation seit der Pandemie sind chinesische Firmen als potenzielle Partner aber weggefallen.

Eine Recyclinganlage für Industriemüll in Aserbaidschan. Alle Einzelteile werden vor Ort zusammengebaut. (Foto: Econ Industries)

Was der Firma von Reinhard Schmidt in diesem Jahr zu schaffen macht, sind die Lieferverzögerungen bei elektronischen Bauteilen und die fehlende Preisstabilität in Deutschland. Es sei dann vor allem schwer, internationalen Kunden die hohen Preisschwankungen seiner Anlagen zu erklären, sagt er. Wirtschaftlich ist Econ Industries aber gut aufgestellt. In den letzten zehn Jahren konnte das Unternehmen seinen jährlichen Gewinn von circa 300 000 Euro auf knapp eine Million Euro steigern. Auch die Pandemie hat man dank laufender Projekte gut überstanden.

Eine Konstante ist in den 20 Jahren Firmengeschichte geblieben: Schmidts Vorfreude auf Herausforderungen. Gerade stürzt sich sein Team in die Entwicklung neuer Entsorgungswege für Batterien aus Elektroautos. Dass seine Angestellten nach wie vor Spaß an der Arbeit haben, zeige sich an der geringen Fluktuation, so Schmid. Größer wollen sie erstmal nicht werden. "Eine Partnerschaft mit einem anderen Anlagenbauer wäre aber schön", ergänzt er.

Und noch einen Wunsch hat der Geschäftsführer: Endlich eine Anlage in Deutschland als Vorführobjekt zu bauen. "Dann müssen wir mit neuen Kunden nicht mehr extra nach Aserbaidschan oder Saudi-Arabien fliegen, um ihnen unser Verfahren zu demonstrieren", sagt Schmidt. Auch das wäre im Sinne der Umwelt.

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