Raubtier im Fünfseenland gesichtet:Wenn der Wolf ein Päuschen macht

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Hartwig Görtler ist Chef der Jäger im Landkreis und er hat sich mit dem Besuch des Tieres eingehend beschäftigt. Ein Kunststück, denn die Telefone stehen bei ihm nicht mehr still. Die Anrufer sind interessiert - nicht in Panik

Interview von Christian Deussing, Starnberg

Ein Wolf ist im nördlichen Fünfseenland aufgetaucht. Der junge Rüde tappte vor Kurzem in eine Wildkamera der Kreisjägergruppe Starnberg. Es war ein sensationeller Zufallstreffer, zeigt aber auch, dass Wölfe inzwischen die Wälder in Oberbayern durchstreifen. Die Rückkehr des Raubtiers hat ein großes Echo ausgelöst, viele Bürger riefen bei der Jägerschaft an. Deren Kreisvorsitzender ist Hartwig Görtler, der zuerst kaum glauben konnte, welches Tier auf dem Foto vom 7. März zu sehen war. Mit dem 43-jährigen Jägerchef aus Gauting sprach die SZ über den Wolf, die Reaktionen und das Selbstverständnis des modernen Jagdwesens.

SZ: Noch ist der Wolf nicht aus den Köpfen, besonders nicht bei Bauern und Schäfern. Haben Sie seine Fährte oder andere Spuren des Wolfes inzwischen entdeckt?

Hartwig Görtler: Bislang leider nicht. Ich glaube auch kaum, dass er noch in unseren eher kleinen und unruhigen Revieren unterwegs ist. Der Wolf hat sich wohl ausgeruht, also ein Päuschen eingelegt, um dann auf seiner Wanderschaft - in welche Richtung auch immer - irgendwo ein Weibchen zu finden.

Demnach dürften Wölfe in der Starnberger Region nicht heimisch werden. Dann könnten Sie nun endlich auch den genauen Standort der Wildschweinkamera nennen, an der das Raubtier vorbeigelaufen ist.

Da bitte ich noch um ein bisschen Geduld, denn wir müssen ganz sicher sein, dass er in dem Bereich nicht mehr auftaucht. Vor allem wollen wir vermeiden, dass Ausflügler oder Hobby-Fotografen sich auf die Lauer legen und somit mögliche Spuren des Wolfes vernichtet werden. Das wäre in diesem Fall sehr schade.

Nun fürchten sich aber nicht wenige Menschen vor dem Wolf und denken an ein gefährliches und aggressives Tier. Andere wiederum glauben, Jäger könnten womöglich auch unter dem Druck von Landwirten das Tier einfach erschießen.

Das ist natürlich Unsinn. Die Wölfe stehen unter Artenschutz und dürfen nicht bejagt werden, denn in Deutschland gibt es nur 31 Rudel mit etwa 200 Tieren. Diese geringe Population ist zum Beispiel mit der Situation in Italien oder Schweden in keiner Weise vergleichbar. Erst wenn sich die Lage auch bei uns entscheidend ändert, muss sicher über die Auswirkungen nachgedacht werden.

Görtlers Stellvertreter Markus Ortner zeigt eine Wildkamera, mit der das Raubtier fotografiert wurde. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Inwiefern?

Dann ist zu fragen, wie arrangiert man sich mit dem Wolf und wie weit ist sein Verhalten noch kalkulierbar? Doch die Starnberger Region bietet für den Wolf zu wenig Möglichkeiten des Rückzugs. Die Gegend ist zu dicht besiedelt, zudem schreckt der starke Straßenverkehr das im Prinzip scheue Tier ab.

Die Meldung, dass ein Wolf nun auch im Fünfseenland gesichtet wurde, hat einen großes Wirbel ausgelöst.

Meine Kollegen und ich waren auf den medialen Hype vorbereitet. Wir gehen sachlich mit der Entdeckung des Tieres um, haben uns mit dem Landesamt für Umwelt genau abgestimmt und frühzeitig die Behörden und den Bauernverband informiert. Unser Telefon glühte, es gab sehr viele Mails. Manche teilten mit, auch einen Wolf gesehen zu haben. Doch mit diesen vagen Auskünften muss man vorsichtig umgehen.

Gab es auch Panikanrufe?

Nein, Panik oder gar Hysterie waren zum Glück kein Thema. Doch etwas Anderes war in den zwei Wochen der Wolfssichtung auffällig.

Und was, bitte?

Die Totenstille im Wald. Die Rehe, Füchse und sogar die Wildschweine haben sich im Unterholz verkrochen. Sie müssen den Wolf als feindliche Gefahr gewittert haben. Der kann selbst über eine Distanz von bis zu zwei Kilometern Beutetiere und Artgenossen wittern. Diese Stille und der Respekt vor dem aufgetauchten Wolf waren eine interessante Beobachtung. Ich wünschte mir, dass auch der Mensch vor dem Wald mehr Respekt an den Tag legt und nicht nachts mit Stirnlampe dort joggt oder auf dem Mountainbike mit Flutlicht durchbrausen würde. Denn fehlende Ruhe stresst die Tiere, die aufgescheucht dann vielleicht in ein Auto rennen und verenden.

Stresst Sie eigentlich die häufige Ansicht, dass Jäger sich im Grunde doch nur um Trophäen kümmerten?

Das ist lediglich ein Klischee und trifft sicherlich für die meisten Kreisgruppen längst nicht mehr zu. Wir sind keine rauschebärtigen Lodenmantelträger, sondern Naturschützer, die sich um das Gleichgewicht in der Natur und der Populationen kümmern. Die Pflege der Hege und der Biotope wird immer wichtiger. Die reine Jagd macht nur zehn bis 15 Prozent unserer Arbeit aus. Zur Jagd gehört auch die Beobachtung von Wild, sei es vom Hochsitz aus oder durch Wildkameras. Und beim Jagen wird stets geprüft, wo und wann sie sinnvoll und notwendig ist.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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